Fall Görgülü II

Ich würde, entgegen dem Kommentator, keinen NS-Vergleich oder besser: Vergleich mit der die NS-Zeit „aufarbeitenden“ Justiz im Nachkriegsdeutschland ziehen. 
Die Vorgänge im OLG Naumburg zeigen etwas anderes aber ganz deutlich: Dieser „Freispruch im Zwischenverfahren“ kam deswegen zustande, weil an der unsäglichen Entscheidunge des OLG Naumburg (Familiensenat) drei  Richter mitgewirkt hatten. Die maßgebliche Entscheidung muß mit Stimmenmehrheit getroffen worden sein, kann aber auch einstimmig gefaßt worden sein. Möglich ist, daß einer der drei Richter dagegen gestimmt hat. Ob dies der Fall war und wer dies ggf. gewesen ist, läßt sich wegen des richterlichen Beratungsgeheimnisses und wegen des Schweigerechts des Beschuldigten, von dem alle drei Richter Gebrauch gemacht haben, nicht feststellen. Daher hätte keiner verurteilt werden können, weil ja jeder der hätte sein können, der dagegen gestimmt hat, obwohl in Wahrheit vielleicht gar keiner dagegen gestimmt hat.
Das Ganze hat natürlich mehr als einen schalen Beigeschmack, weil zugleich feststeht, daß mindestens zwei der drei Richter eine Rechtsbeugung begangen haben, ein Verbrechen, bedroht mit mindestens einem Jahr Freiheitsentzug und Entfernung aus dem Richterdienst bei Verfall sämtlicher Versorgungsanwartschaften.  Wo und wie werden sie in Zukunft ihr Unwesen treiben? Disziplinarische Konsequenzen wird es wohl kaum geben können.

Und noch etwas anderes: Natürlich handelt es sich auch in diesem Fall um zulässiges Verteidigungsverhalten.
Richter sollten sich also, ebenso wie Staatsanwälte, überlegen, ob sie dieses zulässige Verteidigungsverhalten bei anderen Beschuldigten zukünftig noch süffisant mit: „der Angeklagte schweigt ja, der muß ja nichts sagen“ oder ähnlich, kommentieren.

3 Gedanken zu „Fall Görgülü II

  1. Gerd Kraemer

    „… weil zugleich feststeht, daß mindestens zwei der drei Richter eine Rechtsbeugung begangen haben“???

    Für wen steht das fest? Für den Strafsenat jedenfalls nicht, der hat das ausdrücklich dahinstehen lassen.

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  2. Matthias

    Die Sache hat leider weniger einen schalen Beigeschmack, sondern es handelt sich um einen rechtsstaatserodierenden Beschluss.
    Selbstverständlich haben auch die Angeschuldigten alle strafprozessualen Rechte, darum ging es hier aber nicht.
    Warum ich den Vergleich zur fehlenden Aufarbeitung des NS-Regimes herangezogen hatte, ergibt sich aus der Begründung des Strafsenats selbst.
    Er schreibt, dass bereits das Reichsgericht die Bedeutung der Unterschrift eines Kollegialrichters normiert habe, der erkennende Strafsenat verschließt jedoch die Augen davor, dass kein Beamter in der Bundesrepublik an einer strafbaren Handlung mitwirken darf. Genau diese Norm hat nämlich in der Zeit des „Reichsgerichts“ nicht existiert, so dass die Heranziehung dieses Urteils einer Strafvereitelung, wie sie eben auch bei den Freisprüchen der Nazijuristen vorgekommen ist, gleichkommt.
    Der Beschluss des Strafsenats bedeutet nichts anderes als die Auflösung der Bindung an Recht und Gesetz in Kollegialgerichten, denn seit dem 8. Oktober herrscht eine uneingeschränkte Immunität für Richter.
    Welche Legitimation hat nach der Entscheidung das OLG Naumburg noch. Niemand kann sicher sein, dass er dort nicht an Richter gelangt, die keine Scheu vor Rechtsbeugung haben.Insbesondere, wenn diese Oberlandesgericht letztinstanzlich entscheidet, also keine Rechtsmittel mehr gegeben sind. Der Anstand und der Respekt vor denen, die dem Recht unterworfen werden, gebietet es, dieses Gericht aufzulösen.

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  3. Pingback: Rechtsanwalt Achim Flauaus » Was machen eigentlich die Richter im Fall Görgülü jetzt?

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