Schlagwort-Archive: Beschleunigungsgrundsatz

Thomas Fischer (u.a. Mitglieder des 2. Senats): Die Strafprozeßordnung ist …

„…das Gebilde einer Rechtsordnung …, in deren alte Formen über Jahrzehnte ein formloser Brei eingewandert ist, der sie von innen zersetzt hat, und die ihre formale Kraft nunmehr nach Maßgabe von Zweckmäßigkeit oder jeweiliger Verfahrens-Macht vorgaukelt. Er trägt den Namen Opportunität, Effektivität, Beschleunigung und Absprache.“

Fischer, Eschelbach, Krehl, Zehn-Augen-Prinzip, StV 2013, 395 (399)

Im Musterland der Strafjustiz II

In dem Artikel Musterland der Strafjustiz vor zwei Jahren hatte ich über auffällig lang dauernde Strafverfahren berichtet, alle aus dem badischen Landesteil. Eines ist nun heute mit einem Freispruch durch das Landgericht Karlsruhe abgeschlossen worden. Der Schuldspruch des Amtsgerichts Bruchsal aus dem Jahre 2008 wegen Straßenverkehrsgefährdung und Nötigung wurde aufgehoben. Tatzeitpunkt war der 26.05.2007, also vor beinahe fünf Jahren.  Die Berufungskammer saß seit Herbst 2008 auf der Akte.
Vielleicht sollte man bei den Verjährungsregeln etwas ändern. Und die Frist, nachdem die erstinstanzliche Entscheidung ergangen ist, einfach halbieren. Das hülfe!

Gera, immer wieder Gera!

Über die Strafjustiz in Gera habe ich schon häufig geschrieben, nämlich am 12.8.09, 14.8.09, 1.9.09, 17.9.09, 18.9.09, 4.12.09, 19.1.10 und 12.5.10. Auch diesmal ist es leider nichts Gutes.
Mandantin war kurz vor und nach der „Wende“, als sie noch in der Nähe von Gera wohnte, von ihrem Vater sexuell mißbraucht worden. Anzeige erstattete sie in Heppenheim, sie war inzwischen umgezogen, erst 2009. Wegen des Tatortprinzips gab die StA Darmstadt das Verfahren an die StA Gera ab, wo es am 8.5.09 einging. Am 1.7.09 stellte die StA Gera die Taten vor dem 3.10.90 (zu Recht) wegen Verjährung ein, worüber es den Geschädigtenvertreter mit Posteingang bei diesem am 29.7.09 informierte. Am 22.1.10 leitete sie den Beiordnungsantrag des Geschädigtenvertreters vom 30.7.09 an die zuständige Strafkammer weiter, nachdem der Geschädigtenvertreter hieran, ebenso wie an sein Akteneinsichtsgesuch, am 21.12.09 unter Fristsetzung zum 15.01.10 erinnert hatte. Das Landgericht ordnete schon am 28.1.10 bei. Auf nochmalige Erinnerung gewährte die StA am 6.3.10 Akteneinsicht. Am 8.3.10 schrieb der Geschädigtenvertreter an die StA, aus der Akte ergebe sich, daß über die soeben dargestellten Vorgänge hinaus nichts geschehen sei und mahnte zumindest die Beschuldigtenvernehmung an. Für nochmalige Akteneinsicht habe er sich eine Frist bis zum1.6.10 notiert. Als sich nichts tat, erinnerte er am 1.6.10 und setzte Nachfrist bis zum 30.6.10. Mit Posteingang vom 1.7.10 stellte die StA das Verfahren insgesamt nach § 170 II StPO ein. Weiterlesen