In dubio contra reo

Am 7.8.08 verurteilte das Amtsgericht Bruchsal den Angeklagen wegen Nötigung und Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe und ordnete ein dreimonatiges Fahrverbot an. Der Angeklagte hat dagegen Rechtsmittel eingelegt. 

Der Angeklagte war im Frühjahr 2007 bei Freiburg in Richtung Süden unterwegs, als er von der Polizei angehalten wurde und seine Personalien festgestellt wurden. Weshalb dies geschah, erfuhr er erst ein dreiviertel Jahr später. Da wurde ihm nämlich ein Strafbefehl zugestellt, in dem ihm dasjenige vorgeworfen wurde, weswegen er nun verurteilt worden ist. Er legte Einspruch ein und am 7.8.08 fand die Hauptverhandlung statt. Die beiden Zeugen gaben dort an, sie wären von einem schwarzen Porsche, den sie nicht näher beschreiben konnten, mit Schweizer Kennzeichen und Züricher Zulassung genötigt worden und dieser hätte bei Bruchsal falsch überholt. Den Fahrer konnten sie nicht beschreiben. Mit Handy hätten sie die Polizei verständigt. Eine Stunde und 150 km später wurde dann der Angeklagte angehalten. Er hatte einen schwarzen Porsche mit Züricher Zulassung. Das Gericht hat auf den Beweisantrag hin unterstellt, daß es mindestens 500 schwarze Porsche mit ZH-Kennzeichen gibt. Die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger haben Freispruch beantragt. Das Gericht hat verurteilt. Obwohl es sein könne, daß das überholende Fahrzeug gar nicht bis Freiburg gefahren sei oder einen anderen Weg genommen habe und (unausgesprochen) der Angeklagte gar nicht aus Richtung Bruchsal gekommen sei sondern überhaupt nicht nördlich von Freiburg war, gebe es keine vernünftigen Zweifel an seiner Täterschaft. Das wäre zuviel des Zufalls. 

In der Rechtsmittelinstanz wird sich erneut die Frage stellen, wann der Grundsatz Im Zweifel für den Angeklagten gilt, wenn nicht hier. Freiburg liegt unweit von Zürich. Kann es wirklich nicht sein, daß in etwa zur selben Zeit ein schwarzer Porsche mit ZH-Kennzeichen bei Freiburg auf der Autobahn fährt, zu der ein anderer gleicher Wagen, der von Norden kommt und dessen Fahrer eine Stunde zuvor eine Straftat begangen hat, dort rein zeitlich und räumlich erwartet werden kann, der vielleicht auch kam, aber unbemerkt blieb, weil man schon den Falschen angehalten hatte?

Was das Rechtsmittelgericht dazu sagt, dazu werde ich berichten.

2 Gedanken zu „In dubio contra reo

  1. Pingback: Rechtsanwalt Flauaus Bensheim Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht » Im Musterland der Strafjustiz II

  2. flauaus Beitragsautor

    Das Versprechen vom 22.08.2008, dass ich über den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens berichten werde, kann leider erst heute eingelöst werden: am 24.01.2012 gab’s einen Freispruch beim LG Karlsruhe. Die StA erklärte Rechtsmittelverzicht. Der Freispruch ist damit rechtskräftig, beinahe fünf Jahre nach der „Tat“.

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