Archiv für den Monat: Oktober 2008

Beharrlichkeit der Pflichtverletzung und Fahrverbot

Liegt kein Regelfall für ein Fahrverbot vor (Bspl.: mind. 41 km/h zu schnell außerorts) kann es nur angeordnet werden, wenn beharrliche Pflichtverletzung von einem Gewicht vorliegt, die mit den im Regelfall für ein Fahrverboz vorgesehenen Fällen vergleichbar ist. Der Bußgeldrichter hatte im Rahmen seines Ermessens trotz zahlreicher Voreintragungen  teils einschlägiger Art von einem von der Bußgeldstelle angeordneten Fahrverbot bei Verdoppelung der Geldbuße abgesehen, weil die früheren Verstöße teils lange zurück lagen und der Beroffene im letzten Jahr vor dem neuerlichen Verstoß nur einmal straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten war. Das Oberlandesgericht hat dies auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hin nicht beanstandet (OLG-Bamberg-NJW 2008, 3155).

Fazit: Jedenfalls dann, wenn kein Regelfall für die Verhängung eines Fahrverbotes vorliegt, lohnt es sich – von anderen Gründen ganz abgesehn – Einspruch gegen den Bußgeldbescheid mit Fahrverbot einzulegen.

Laß den Anwalt quatschen

Das gilt nicht! Hat der Anwalt sich etwa in seinem Schlussvortrag mit Rechtsfolgen auseinandergesetzt, auf die das Gericht weder hingewiesen hatte, noch die durch die Anklage bekannt waren, kann sich der Angeklagte in der Revision auf den Verfahrensfehler des Gerichts nicht mehr berufen BGH-StraFo 2008, 385).

Ab 1.1.09 drastisch höhere Bußgelder!

Der Bundesverkehrsminister plant, wie man aus seiner Website einsehen kann (www.bmvbs.de), drastisch erhöhte Bußgelder. Begründet wird dies mit der Behauptung, damit die Zahl der Verkehrsunfälle und -toten reduzieren zu wollen. Die Begründung ist scheinheilig. Erkennbar geht es um fiskalische Interessen, denn weder werden Fahrverbote noch die Punkte in Flensburg ausgeweitet.

Höhere Bußgelder wird es insbesondere bei Abstandsverstößen sowie bei Geschwindigkeits-überschreitungen geben, z. b. innerorts um 31 km/h zu schnell von 100 € auf 160 €; bei  Rotlichtverstößen, z.B. wenn die Ampel länger als 1 Sekunde rot zeigte: 200 € statt bisher 125 €; bei Alkohol oder Drogen von derzeit 250 € auf 500 €. Eine Aufwertung bisheriger Verwarnungsgeldsachen, also Verstößen mit Verwarnungsgeldbeträgen unter 40 €, findet ebensowenig statt wie neue Fahrverbotstatbestände. Zusätzlich wird es eine allgemeine Erhöhungsregel für vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten geben.

Ohne Feinstaubplakette in die Umweltzone? Egal!?

Wer ohne Feinstaubplakette in eine Umweltzone, die es bei uns nun schon in Mannheim und Frankfurt gibt, einfährt, soll ein Bußgeld von 40 € zahlen und einen Punkt in Flensburg erhalten. In der Praxis wird die Plakette aber nur von städtischen Ordnungshütern überwacht, die den ruhenden Verkehr kontrollieren. Die können aber nur feststellen, daß ein Auto ohne Plakette eingefahren ist, nicht aber wer dies getan hat. Da sich die Bußgelddrohung aber nicht gegen den Halter sondern nur gegen den Fahrer richtet, sollten rechtskräftige Bußgeldbescheide wegen dieser Verfehlung leicht zu vermeiden sein.

Ergänzung vom 26.10.2009: So sieht das auch Dennis Jlussi in NZV 2009, 483, der ergänzend darauf hinweist, daß i.Ü. nur das Fahren, nicht aber das Parken in der Umweltzone mit Bußgeld bedroht ist.

Sperrfristverkürzung bei Fahrerlaubnisentzug

Um die Fahrerlaubnis zu entziehen, muß beim Täter eine „Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen“ zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Diese kann z.B. bei einer Trunkenheitsfahrt zwar vorgelegen haben, aber nachträglich entfallen sein, weil freiwillig in nennenswertem Umfang an einer Verkehrstherapie eines Verkehrspsychologen teilgenommen worden ist, führt aber jedenfalls zu einer Verürzung der Sperrfrist (hier: 8 statt 12 Monate) (AG Lüdinghausen-NJW 2008, 3080).

Das Wichtigste zu „Punkte in Flensburg“

Punkte in Flensburg (PiF) sind gefürchtet, weil sie beim Erreichen von 18 zum Entzug der Fahrerlaubnis führen, von der es praktisch keine Ausnahmen gibt. Frühestens nach 6 Monaten kann eine neue Fahrerlaubnis wieder erteilt werden. Dies aber auch nur dann, wenn ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU oder Idiotentest) vorgelegt wird. Punkte gibt es automatisch, wenn das Bußgeld mindestens 40 € beträgt. Weiterlesen

Spontanäusserung von zeugnisverweigerungsberechtigten Angehörigen verwertbar

Wer als Ehegatte oder sonstiger Angehöriger gegenüber einem Polizeibeamten ungefragt und spontan den Mann oder Vater usw. einer Straftat bezichtigt oder einen für diesen ungünstigen Sachverhalt schildert, kann sich zwar später im Strafverfahren eines anderen besinnen, sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen und schweigen; die Spontanäusserung bleibt jedoch zum Nachteil des Beschuldigten verwertbar (OLG Saarbrücken-NStZ 2008, 585).

Haftung des Unfallgegners für ärztliche Behandlungsfehler beim verletzten Opfer

Grundsätzlich haftet der Unfallverursacher auch für Behandlungsfehler des Arztes, der das Unfallopfer unfallbedingt behandelt hat. Daneben haftet selbstverständlich auch der Arzt selbst.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arzt seine Sorgfaltspflichten in gröblichster Weise außer Acht gelassen hat. Es genügt also nicht jeder Behandlungsfehler, nicht einmal grobe Fahrlässigkeit (OLG Koblenz, NJW 2008, 3006 und Wertenbruch, NJW 2008, 2962).

BGH läßt Anwalt „ins Messer laufen“

In der Praxis wird bei Berufung einer mittellosen Partei innerhalb der Berufungsfrist ein Prozeßkostenhilfeantrag gestellt und zum Beleg dafür, daß die Berufung nicht mutwillig und ohne Aussicht auf Erfolg ist, ein Entwurf der Berufungsbegründung beigefügt. Da bis zur Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag regelmäßig die Berufungsfrist oder Begründungsfrist oder beide verstrichen war, gewährte das Berufungsgericht, nachdem zuvor Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, Wiedereinsetzung in die jeweils versäumte Berufungs- oder Begründungsfrist. Der BGH hat mit dieser Praxis nun Schluss gemacht (BGH-AnwBl 2008, 638). Die Mittellosigkeit der Partei sei für die Fristversäumung nicht kausal, was man daran sehen könne, daß der Anwalt die Berufung bereits begründet, diese lediglich als Entwurf bezeichnet habe. Dieses formale Argument kommentiert Engels in AnwBl 2008, 720 so: „Letztlich den sorgfältigen Rechtsanwalt in das Messer laufen  zu lassen, ist im Umgang der Organe der Rechtspflege miteinander nicht die feine Art.“ Er hätte auch „nicht würdig“ schreiben können.

Das sind nicht zu überhörende Alarmzeichen. Werden sie auch von der Richterschaft vernommen?

Vollstreckungslösung des Bundesgerichtshofs

Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte hat jeder das Recht, daß eine gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Bei rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen wurde bisher auf die Strafe ein „Rabatt“ gewährt mit der Folge, daß beispielsweise eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren statt etwa 2 Jahren und 6 Monaten verhängt wurde, die ohne rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angemessen gewesen wäre. Im Beispielsfall hätte das Gericht dann auch zu prüfen gehabt, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Diese Praxis verhindert zukünftig der Beschluss des Großen Senates des BGH vom 17.01.2008. Nunmehr ist in der Urteilsformel auszusprechen, daß ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt (BGH-NJW 2008, 860). Im Beispielsfall wird der Angeklagte nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt und ausgesprochen, daß  6 Monate als vollstreckt gelten. Die Frage nach einer Bewährungsaussetzung stellt sich nicht mehr. Auswirkungen hat diese Entscheidung insbesondere auch in Fällen, in denen an die Verwirkung einer bestimmten Mindesstrafe Folgen geknüpft sind, etwa im Ausländerrecht die regelmäßige Ausweisung oder im Beamtenrecht der Verlust des Amtes und der Pension.