Archiv für den Monat: Mai 2009

Der Partyschreck im Schwurgerichtssaal

Während der Vernehmung eines Zeugen im Saal 3 des Landgerichts Darmstadt öffnet sich die Tür zum Sitzungssaal und es treten herein ein kleiner Mann mit drei weiteren Herren im Schlepptau.
Sie sehen aus wie Inder und dort stehen sie jetzt.
Der kleine Mann blickt freundlich in die Runde, die drei anderen eher unsicher bis finster.
Der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer richtet an den kleinen Mann das Wort: Er müsse als Gerichtsdolmetscher doch wissen, daß er nicht mit drei Zeugen, die erst später zu vernehmen seien, in die laufende Verhandlung und Vernehmung hereinspazieren könne. Immerhin habe er ihn ja auch um ein Zeugnis und darum gebeten, ihn ob seiner besonderen dolmetscherischen Qualitäten allerorten anzuempfehlen.
Dem kleinen Mann, ein Dolmetscher offenbar, bleibt sein freundliches Lächeln erhalten. Und damit ausgestattet durchschreitet er nun zunächst den ganzen Saal direkt vor der Richterbank, eine Visitenkarte in der Hand, um zunächst dieselbe erst einmal dem der Saaltür gegenüber sitzenden Staatsanwalt zu überreichen, und sodann nach notwendigerweise nochmaliger Saaldurchschreitung (wiederum direkt vor dem Richtertisch) mitsamt den anderen drei Herren den Saal wieder zu verlassen. Fröhlich fast.
Die Scene mitsamt dem Hauptdarsteller war ersichtlich Blake Edwards Film „Der Partyschreck“ mit Peter Sellers entlehnt. Und die Ähnlichkeit des Dolmetschers mit Sellers ist wirklich verblüffend.

Erstattung der Reisekosten des Anwalts durch den Gegner

Der im Zivilprozeß unterlegene hat dem Obsiegenden die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten, also insbesondere dessen Anwaltskosten zu erstatten. Früher allerdings ohne die Reisekosten des Anwalts bei auswärtigen Terminen mit dem Argument, er hätte sich ja einen Anwalt vor Ort nehmen können. Seit BGH-NJW 2008, 2122 müssen jetzt auch die Reisekosten des Anwalts der obsiegenden Partei von dem, der unterlegen ist, erstattet werden.

Längere Standzeit alleine kein Mangel beim Gebrauchtwagen

Anders als beim Jahreswagen (BGH-NJW 2006, 2694) ist eine längere Standzeit bei einem (älteren)Gebrauchtwagen (im Fall: 10 Jahre alt) nicht bereits ein Mangel selbst. Es fragt sich dann, ob hierdurch Standschäden entstanden sind, die einen Mangel darstellen (BGH-NJW 2009, 1588).

Erstattung der Gutachterkosten und Bagatellschäden

Das LG Nürnberg hat entschieden, daß die Kosten eines Schadensgutachtens auch dann nicht vom Unfallverursacher zu ersetzen sind, wenn der Schaden 771,82 € betragen hat. Eine oftmals bei 700 € anggesiedelte Bagatellschadensgrenze existiere in dieser Starrheit nicht. Kratzer die vor allem Lackierkosten verursachen seien auch dann ein Bagatellschaden, wenn zur Schadenbeseitigung, wie hier, mehr als 700 € aufgewendet werden müßten (NZV 2009, 244).

Ackermanns Victory-Zeichen

Rainer Hamm erläutert in der FS 25 Jahre ARGE Strafrecht des DAV (Nomos, 139 (148)), wie es dazu kam.
Am ersten Verhandlungstag kam das Gericht zu spät. Hamm frug rhetorisch in die Runde: „Wo bleibt eigentlich das Gericht?“ und verband dies mit der Bemerkung: „Vor einer Woche hat Michael Jackson noch eine hohe Geldstrafe aufgebrummt bekommen, weil er 15 Minuten zu spät vor seinem Richter erschien!“ Ackermann hatte den Bericht hierüber wohl auch gesehen, denn er machte nun die Jackson-Geste nach, mit der dieser bei Gericht erschienen war. So sei, nach Hamm, das Foto entstanden.
Zum Glück hatte Jackson auf den für ihn typischen Griff-in-den-Schritt verzichtet.

„Richter wird, wer schreiben kann.“

Leider gibt es in den provinziellen Städten Berlin, über dessen Rechtsreferendare der Artikel in Heft 6 von Myops berichtet, und München, wo der Verlag seinen Sitz hat, in dem die Zeitschrift erscheint (C.H.Beck), nicht, wie in Darmstadt, eine Vereinigung zur Pflege des guten Verhältnisses zu rechtsbeugenden Richtern und ungezogenen Jungjuristen.
In einem Fall wie diesem hätten ihre Organe VRiLG M., RA Dr. B und RAin Dr. G. wieder einmal auf den Plan treten und „Rücktritt“ – wovon auch immer – oder vielleicht auch Zensur fordern müssen!
Benjamin Lahusen hatte über das peinliche Unwissen und das allenfalls opportunistische Interesse von Rechtsreferendaren am Projekt Justizgeschichte des Kammergerichts berichtet, das z.B. in den Bendlerblock geführt hatte. Er schießt den Artikel so: „Das also befähigt zum Richteramt: nicht Urteilskraft, nicht historische Bildung, nicht politische Sensibilität, nicht gesellschaftliches Verantwortungsbewußtsein – entscheidend ist das Vermögen, binnen kürzester Zeit möglichst viele Punkte der Lösungsskizze möglichst ausführlich in möglichst lesbarer Handschrift abzuarbeiten, auf liniertem Umweltschutzpapier, einseitig zu beschriften mit Korrekturrand auf der linken Seite. Richter wird, wer schreiben kann.“
Hinzufügen möchte ich, daß selbstredend für Anwälte nichts anderers gilt und daß man in weniger provinziellen Gegenden als Berlin, z.B. in Hessen, Geschichtsunterrricht für Referendare gar nicht erst für notwendig hält. Man kann darauf vertrauen, daß das eh keinen interessiert und gerade bei jungen Juristen nach alter Väter Sitte die „richtige Gesinnung“ einfach zur Karriereplanung  dazugehört. Heute wie damals kommt es halt darauf an, was die Obrigkeit von einem erwartet. Die Erwartung wird nicht enttäuscht werden. Ebensowenig wie damals.
(siehe auch meine Artikel vom 23.01. und 21.03.09)

Die Sache mit dem „Kampf“

Jeder kennt den Spruch von Dahs d.Ä. (nicht zu verwechseln mit Cato d.Ä., dem das auch ziemlich kämpferische „Carthago delenda“ zugeschrieben wird, das ich – wie die meisten heutzutage – nur als Zitat aus Asterix kenne (so sollte der Schlußvortrag eines Anwalts beginnen, doch der davor plädierende hatte ebenfalls dieses Zitat an den Anfang gestellt, worauf der andere eine Unterbrechung beantragte: „Ich muß mein Plädoyer völlig neu aufbauen“)) wonach Verteidigung „Kampf“ sei. Das Zitat findet sich auf ungezählten Homepages und Kanzleiprospekten. Dagegen ist ja auch nichts zu sagen, allerdings fragt sich, was eigentlich mit diesem Kampf gemeint ist. Sicher nicht Krawall und die Suche nach Konflikten und wie man sie ausbauen und nähren kann. Wenn man um eine Sache kämpft, sich also für sie einsetzt, sollte man ein Ziel vor Augen haben. An dieses Ziel sollten ethische Maßstäbe angelegt werden, ebenso an die Mittel zu seiner Erreichung. Und in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung müssen Mittel und Ziel stehen. So positivistisch sollte man außerhalb des Unrechtsstaates schon sein.
Wie alle Kämpfer sollte auch der kämpfende Verteidiger sein Handwerk gelernt und sich fortlaufend geschult haben. Er sollte seine Gegner studiert haben, ebenso wie seine Verbündeten. Vor allem für erstere sollte er Verständnis mitbringen, schon, um sich auf sie einstellen zu können. Und er sollte erkennen, wann ein Gegner zum Feind wird, wobei das auch für den Verbündeten gilt. Zum Kampf muß er vorbereitet und ausgeruht erscheinen. Auch wenn er meint, die Sache im Griff zu haben. Hier kann er sich nämlich irren. Und er sollte das Büro und den Gerichtssaal nicht mit dem Leben verwechseln. Erstere sind eine Bühne, Eitelkeiten unvermeidbar, sie gehören vermutlich dorthin. Es werden Spiele gespielt und Stücke aufgeführt. Mit echten Menschenschicksalen. Das den ganzen Tag ausschließlich und ein ganzes Leben lang ist geradezu tödlich, zumindest für die Seele. 
Wer also Verteidigung als Kampf begreift, sollte sich um eine professionelle Berufsausübung bemühen aber sich nicht zu einer Kampfmaschine degenerieren, sondern sich insgesamt um Persönlichkeitsreifung bemühen. Und dabei die Umstände nicht vergessen, die hierzu elementar gehören, ihm das erst ermöglichen, seine Familie.
Das wollte ich zum „Vatertag“ einmal gesagt haben.

Geldauflage zu hoch, da riskier´ich doch lieber `n paar Jahre Knast

Ein Verteidiger sollte wissen, wie weit er mit seinem Mandanten gehen kann. Wird in der Hauptverhandlung dem wegen gefährlicher Körperverletzung zum Strafrichter angeklagten Mandanten ein § 153a StPO angeboten, weil die verletzte Ehefrau und Zeugin schweigt, sollte man den Mandanten vielleicht motivieren anzunehmen, auch wenn der Mandant nur 500 € zahlen will und die Staatsanwaltschaft 1500 € haben will.  Sonst kann in der weiteren Folge der Strafrichter auf „dumme Gedanken“ kommen. Zum Beispiel die Verweisung an das Schwurgericht, weil die Verletzungen bei dem Opfer auf die Inkaufnahme des Todeseintritts hindeuten würden. Beim Schwurgericht kann man auf Wohlwollen treffen und den Mandanten nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt sehen, wofür dieser nur drei – vier Jahre „bekommt“;  die Revision kann abgeschmiert werden beim BGH und in die Revisionsverwerfungsentscheidung wegen offensichtlicher Unbegründetheit obiter dicto hineingeschrieben werden, daß man in Karlsruhe gar nicht verstehe, weswegen nicht wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist. Dann hätt`s zwar wahrscheinlich nicht gleich „LL“ gegeben, mindestens aber sechs bis acht. Und das alles  wegen 1000 € Geldauflage sparen wollen.

BGH rügt Frankfurter Strafverteidiger scharf

 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

2 StR 545/08

 

vom

20. März 2009

in der Strafsache

gegen

wegen Geldwäsche

 

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. März 2009 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

 

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juli 2008 wird als offensichtlich unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Weiterlesen

Die terminliche Verhinderung des Verteidigers

Beantragt man beim Vorsitzenden des Schöffengerichts Bensheim Verlegung eines Hauptverhandlungstermins, der in den Sommerferien liegt und natürlich – wie immer – nicht mit dem Verteidiger abgesprochen war, weil man sich im Auslandsurlaub befindet, erhält man zur Antwort: „Verlegungsanträge können in der Regel dadurch vermieden werden, wenn die Verteidigung nicht aus den Augen verliert, dass sie Mitglied der Rechtspflege ist“ (sic!) und wird wie folgt aufgefordert, eine Buchungsbestätigung eines Reisebüros o.ä. vorzulegen: „Da die Verteidigung im hier anhängigen Verfahren bereits in anderen Fällen* durch unbegründete Verlegungsanträge aufgefallen ist (sic!), kommt eine erneute Verlegung lediglich dann in Betracht, wenn die behauptete Verhinderung durch Vorlage einer Buchungsbestätigung glaubhaft … dargetan wird.“ Hat man die Buchungsbestätigung noch gar nicht, weil man zwar weiß, daß und wo man Urlaub machen wird, aber hat halt noch nicht gebucht, legt man, alleine um sinnlose Nebenkriegsschauplätze zu vermeiden, die Bestätigung dann nachträglich vor, nachdem man gebucht hat.
Darauf erhält man zur Antwort, dies bestätige nur den Verdacht, daß zum Zeitpunkt der Terminsanberaumung noch nichts gebucht gewesen sei. Wie könne der Verteidiger eine Reise buchen, wenn das Gericht einen Termin anberaumt habe. Man schreibt zurück und legt schon einmal vorsorglich Beschwerde gegen die zu erwartende Nichtverlegung des Termins ein. Mal sehen, wie die Beschwerdekammer, die um ihre Arbeit nicht zu beneiden ist, diesmal entscheiden wird (siehe auch meinen Beitrag „Terminsverlegungspflicht“ vom 04.11.08, „Quod licet… vom 17.02.09, Jupiter und Stier (wobei es wohl eher „Ochse“ heißen müßte) vom 27.03.09) und „Landgericht Darmstadt bescheinigt Verteidiger Recht auf Urlaub“ vom 10.06.09.

* in diesem Verfahren war ein Verlegungsantrag wegen Urlaubs gestellt und problemlos positiv beschieden worden. So unbegründet wird der Antrag dann ja nicht gewesen sein.