Archiv für den Monat: Mai 2009

BVerfG: Justiz entscheidet über bedingte Haftentlassung – nicht die JVA!

In meinem Beitrag vom 30. März 2009 (Strafvollstreckungskammer entscheidet gegen Staatsanwaltschaft und JVA) hatte  ich über eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Darmstadt berichtet. Der Sache nach sieht dies das Bundesverfassungsgericht genauso. Es fordert in seinem am vergangenen Freitag ergangenen Beschluss (2 BvR 2009/08) den Richter zu einer eigenen Entscheidung auf, statt sich auf die Richtigkeit der Ausgestaltung der bisherigen Vollstreckung durch die JVA zu verlassen und dann, wenn Lockerungen verwehrt worden waren, schematisch mit dem Argument, eine Entlassungsvorbereitung mittels Vollzugslockerungen hätte nicht stattgefunden, auch eine bedingte Entlassung zu versagen. Denn verwehrte Lockerungen können ihrerseits rechtswidrig gewesen sein. Allzu viel Schematismus bei den Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern perpetuiert die Irrtümer und Fehler des Exekutivorgans JVA und entkleidet die Entscheidung über die bedingten Entlassung der justitielle Kontrolle. Die Richterin des Landgericht Darmstadt bedurfte dieser Hinweise nicht. Sie wußte vorher schon was Recht ist.

Unverschuldeter Alkoholrausch bei alkoholkranken Tätern

Ist die alkoholbedingte erheblich verminderte Schuldfähigkeit selbst zu verantworten und dem Täter uneingeschränkt vorwerfbar, so kann ihm die Strafrahmenverschiebung versagt werden. Unverschuldet ist der Alkoholrausch jedoch bei entweder alkoholkranken oder alkoholüberempfindlichen Tätern (BGH-NStZ 2009, 258).

Verwertungsverbot heimlicher Gesprächsmitschnitte in der Untersuchungshaft

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29.04.09 entschieden, daß heimliche Gesprächsaufzeichnungen im Besuchszimmer der Untersuchungshaftanstalt einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gem. Art. 6 Abs. 1 MRK darstellen und daher im Strafverfahren einem Verwertungsverbot unterliegen (1 StR 701/08).

„Halbe Vorfahrt“ bei „Rechts vor Links“

Hat der von links kommende Wartepflichtige dem von rechts kommenden Vorfahrtsberechtigten die Vorfahrt nicht gewährt, so haftet er grundsätzlich nach Anscheinsbeweisregeln allein.
Vorsicht ist aber dennoch geboten, insbesondere bei der Unfallhergangsschilderung gegenüber dem Versicherer des Wartepflichtigen. Denn aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme aus § 1 I StVO folgt die Pflicht des Vorfahrtsberechtigten, den Wartepflichtigen nicht gänzlich unbeachtet zu lassen. Ist nämlich erkennbar, daß er mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Kreuzung zufährt, also das Vorfahrtsrecht nicht beachten wird, dann darf der Vorfahrtsberechtigte auch sich das Vorfahrtsrecht nicht erzwingen und einfach losfahren. Das OLG Saarbrücken hat dem Vorfahrtsberechtigten in einem Urteil vom 3.2.2009 (NJW-Spezial 2009, 267) einen Mitverursachungsanteil von 20% mit der Begründung zugewiesen,  er habe nicht unmittelbar vor dem Einfahren in die Kreuzung noch einmal nach links geblickt. Denn hätte er dies getan, hätte er den unachtsamen Vorfahrtsverletzer erkennen können und damit die Kollision vermeiden.

Fiktive Abrechnung: Reparaturkosten oder Wiederbeschaffungswert?

Liegen die Nettoreparaturkosten niedriger als der Wiederbeschaffungswert, die Bruttoreparaturkosten hingegen höher als dieser, so ist für die Abrechnung letzterer maßgeblich mit der Folge, daß der Verursacher und sein Versicherer im Ergebnis nur den um den Restwert geminderten Wiederbeschaffungswert zu zahlen haben (BGH-NJW 2009, 1340).