Schlagwort-Archive: Landgericht Darmstadt

Landgericht Darmstadt tut sich wichtig oder: wenn der Schwanz mit dem Hund wackeln will

Die sogenannter fiktiver Schadensberechnung, also Geld statt Wiederherstellung einer beschädigten Sache fußt gesetzlich auf Paragraf 249 Abs. 1 Satz 2 BGB. Praktisch wird bei einem Autounfall ein Kostenvoranschlag eingeholt oder ein Schadensgutachten vorgelegt und der Schädiger und sein Versicherer hat die Wiederherstellungskosten ohne Mehrwertsteuer zu ersetzen. Was der geschädigte mit dem Geld macht, ist seine Angelegenheit. Nachdem der Bundesgerichtshof am 22. Februar 2018 in einer Baumängelsache entschieden hat, dass wegen des Bereicherungsverbotes der Schädiger nur entweder die konkreten Mängelbeseitigungskosten geltend machen könne oder den Betrag, um den seine Bausache aufgrund von Mängeln im Wert gemindert ist, gab es Diskussionen dazu, ob dies womöglich nicht nur, wie vom BGH entschieden, für das Werkvertragsrecht gelten könnte sondern eventuell auch für das Kaufrecht.
Dass allerdings auch im Deliktsrecht die sogenannte fiktive Schadensberechnung zu beerdigen sei, da musste erst das Landgericht Darmstadt kommen, um zu diesem Rundumschlag auszuholen. So hat die 23. Zivilkammer es nämlich am 5. September 2018 unter dem Aktenzeichen 23 O 386/17 entschieden. Bei Haufe kann man lesen, wie schrecklich uneinsichtig der dortige Kläger gewesen sei und einfach im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an der fiktiven Abrechnung festgehalten und die Hinweise des Landgerichts Darmstadt ignoriert habe. Unglaublich! Die Klage hat man natürlich abgewiesen. Hierzu fühlt man sich in Darmstadt berechtigt. Gefolgschaft wird dem Bundesgerichtshof nicht geschuldet! Wahrscheinlich weiß man auch schon, dass der zuständige Zivilsenat beim Oberlandesgericht Frankfurt mit Sitz in Darmstadt ebenfalls Lust hat, Schwanz zu spielen und mit dem Hund zu wackeln. Rechtsfortbildung von unten nach oben. Man meint, dies sei rechtspolitisch geboten. Es gebe zu viele Betrügereien bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen. Dabei kann man nur aus der Nabelschauperspektive auf diesen Gedanken kommen, weil Gerichte nun einmal mit überdurchschnittlich vielen problematischen Fällen befaßt sind, während der redliche Unfallgeschädigte regelmäßig keine Gerichte bemühen muss. Die höhnische Rechtsprechung aus Darmstadt kann man eigentlich nur noch zusammenfassen mit: wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Karlsruhe muss es richten.

Landgericht Darmstadt verurteilt Heidi K. zu 5 Jahren und 6 Monaten

Nachdem die Staatsanwaltschaft mit sich und den Richtern der 12. Großen Strafkammer des Landgerichts Darmstadt, die den ehemaligen Lehrer Arnold wegen Vergewaltigung zu Unrecht zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren  verurteilt hatten, hart ins Gericht gegangen waren, ist die Belastungszeugin nun zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, wie der Spiegel berichtet.

„Und wenn sie mir 20 Jahre geben, ich habe nichts gemacht.“

Über den Vergewaltigungsprozeß vor dem Landgericht Darmstadt hatte ich schon am 11.01.2010, 12.01.2010 und über die teilweise Urteilsaufhebung durch den BGH am 22.10.2010 berichtet. Es ging nun nur noch um die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung und (deswegen) auch um die Neubemessung der Strafe, die vom Landgericht Darmstadt im ersten Durchgang mit 15 Jahren bemessen worden war. Jetzt wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren festgesetzt und anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Im Schlusswort noch bekundete der Angeklagte, das Gericht sei einer Intrige aufgesessen. Er und seine Mittäter seien zu Unrecht verurteilt. Er sei unschuldig. Am Vortag war er zu seinen persönlichen Verhältnissen vernommen worden. Er habe nie Unrechtes getan, sei immer rechtschaffen gewesen. Habe allen immer nur geholfen.
Zehn Voreintragungen im BZR. Wegen gefKV, KV, Handeltreiben mit Btm, Raub, Entführung u.v.a.m. Alleine sechs Freiheitsstrafen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Man hatte viel Geduld bewiesen, jahrzehntelang. „Gesessen“ hatte er nie. Jetzt war Peter M. am Ende der Fahnenstange angelangt.

Der Rechtsstaat hemmt die Geständnisbereitschaft

Zu allen Zeiten war das Geständnis der Freund des Repressionsapparates. Von der Hexenverfolgung bis zum Unrechtsstaat DDR förderte die Folter, mitunter auch nur das Vorzeigen der Instrumente, die Geständnisbereitschaft enorm. Die Vorteile liegen auf der Hand. Dem Strafverfolger spart diese Vorgehensweise Zeit und Geld. Und der Geständige wird auf diese Weise veranlaßt, sich einen Ruck zu geben und sein Gewissen zu entlasten.
In Deutschland gibt es trotz dieser offenkundigen Vorteile kaum noch Befürworter der Folter.
Dies, obwohl doch sehr den durch sie herbeigeführten Vorteilen nachgetrauert wird. Gleichwohl wird -nicht konsequent- einer Rückkehr zu diesem Instrument zur Herbeiführung eines Geständnisses und damit zum Zwecke der Verfahrensabkürzung und Kostenersparnis nicht das Wort geredet. Warum eigentlich nicht? Weiterlesen

Zweifelsgrundsatz? Im Zweifel wird die Fahrerlaubnis entzogen!

Am 21.09.2o10 war die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden, weil dem Beschuldigten ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorgeworfen worden war. Ich hatte schon am 28.10.2010 über den Fall berichtet, in dem es auf die Schadenshöhe ankam. Beschädigt war nämlich ein Seat Ibiza, 15 Jahre alt und 116.000 km gefahren. Keine Sau interessierte, daß ein solches Auto schon keinen Wiederbeschaffungswert von 1.300 € hat, geschweige denn, ein Schaden in dieser Höhe nach Abzug des Restwertes in Betracht gekommen wäre. Wegen des für die vorläufige Entziehung erforderlichen bedeutenden Fremdschadens hätte sich die Staatsanwaltschaft, der für die Entziehungsentscheidung zuständige Ermittlungsrichter und vor allem auch die Beschwerdekammer des Landgerichts Darmstadt dafür interessieren müssen. Immerhin hatte der Verteidiger von mobile.de Vergleichsangebote vorgelegt und im übrigen darauf verwiesen, daß im Zweifel sachverständige Schadensbestimmung angezeigt sei. Es war umsonst. Man berief sich -ohne Bedacht auf den auch hinsichtlich der Schadenhöhe erforderlichen dringenden Tatverdacht- allen Ernstes auf die Grobschadensschätzung (2000 €) der Polizei, weil die ja ach so viel Erfahrung in solchen Sachen hätte und schmetterte die Beschwerde ab. Weiterlesen

Justiz in Darmstadt unbekannt

‚Ne Kiste Akte mit DHL an die „Justizbehörden, Mathildenplatz 15 in Darmstadt“ geschickt und auch die Postleitzahl nicht vergessen. Zehn Tage später ist das Ding wie ein Bumerang wieder da. „Empfänger unbekannt“.
Halt das Ding mit dem Auto hingefahren. Lag auf’m Weg. Gericht noch immer am Platze. Nicht unbekannt. Paket war teuer gewesen. Irgendwas jenseits von 10 €.  Sicher war die Vorweihnachtszeit schuld. Leider kann die Post ja nicht reingucken, ob’s was wichtiges ist, wie meine Akten zum Bleistift, oder nur irgendwas unnötiges vom Amazon zur Befriedigung vermeintlicher Bedürfnisse. Und wer wollte das am Ende auch beurteilen. Die Akten schienen jedenfalls der Post die Beförderung zum Empfänger nicht wert.
Ach, eigentlich hatte sie ja auch ein wenig Recht damit. Bei mir waren sie indes auch nicht an der richtigen Stelle.

Justizentlastung: die Kammer entscheidet in Zweierbesetzung

Gemäß § 522 II S. 2 ZPO weist das Berufungsgericht oder der Vorsitzende vor einer beabsichtigten Zurückweisung der Berufung gem. S. 1 auf diese Absicht hin und gibt Gelegenheit zur Stellungnahme oder „zur kostengünstigen Berufungsrücknahme“. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Zurückweisung unanfechtbar ist, hat sie einstimmig zu erfolgen. Nichts anderes als daß demnach auch bei der Vorberatung die Kammer vollständig besetzt sein muß, läßt § 522 II ZPO an Schlussfolgerung zu. Andernfalls fragt sich, wie der Vorsitzende auf die beabsichtigte  einstimmige Berufungszurückweisung hinweisen können will. Soviel zur Theorie. Weiterlesen

Beschluss gem. § 522 II ZPO durch nur zwei Richter?

Ich hatte schon am 28.10.10 über die Auswirkungen des § 522 II ZPO und ein Befangenheitsgesuch im Zusammenhang mit dem Schreiben des Vorsitzenden, mit dem die beabsichtigte Berufungszurückweisung angekündigt worden war, berichtet. Aus dem das Befangenheitsgesuch ablehnenden Beschluss ergibt sich nun, dass an der Vorberatung der Berufungskammer nicht etwa drei Richter sondern deren nur zwei teilgenommen hatten. Man fragt sich, wie dann der Vorsitzende die einstimmige Zurückweisung der Berufung ankündigen kann, wenn der obligatorisch an dieser Entscheidung zu beteiligende dritte Richter an der Vorberatung nicht beteiligt war.

Der schreckliche 522 II!

Das Amtsgericht hatte dem Kläger nur 20 % seiner Schäden zugesprochen. Er kam mit seinem PKW aus einem Baumarkt und  hatte sich  in eine dreistreifige Straße eingetastet, auf der in beiden Richtungen der Verkehr stockte. Er wollte nach links und hatte den ersten Streifen schon überquert, als von links der Beklagte kam und mit dem stehenden klägerischen Fahrzeug auf dem mittleren Streifen mit einer sachverständig festgestellten Geschwindigkeit von 33,6 km/h kollidierte. Unstreitig wollte der Beklagte nach einer insgesamt etwa 50 m langen Strecke seinerseits links in ein  Grundstück einbiegen. Das Amtsgericht sah die Vorfahrt des Beklagten verletzt, hielt den Unfall für diesen jedoch nicht für unabwendbar. Weiterlesen

BGH zur Sicherungsverwahrung im Darmstädter Vergewaltigungsprozeß

Über den Vergewaltigungsprozeß vor dem Landgericht Darmstadt und das dortige Urteil hatte ich im Januar berichtet. Am 20.10.10 fand vor dem 2. Strafsenat die Revisionshauptverhandlung aufgrund des Revision des StA, die vom GBA vertreten wurde, statt. Nach der Pressemitteilung des BGH ist das Urteil aufgehoben worden. In welchem Umfang ist nicht ganz klar. Mit den Feststellungen jedoch offensichtlich nur insoweit, als solche für die Frage der Sicherungsverwahrung nicht getroffen worden waren. In der neuen Verhandlung vor der 10. Strafkammer des LG Darmstadt dürfte es demnach gem. § 66 II i.Verb.m. I Nr. 3 StGB insbesondere um die Frage gehen, ob der Angeklagte einen Hang zu für die Allgemeinheit gefährlichen erheblichen Straftaten hat. Hierzu bedarf es der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens.
Das Landgericht Darmstadt hatte in seiner Verhandlung fast alles richtig gemacht und gerade deshalb mit Rücksicht auf das Opfer, die während des Laufs des monatelangen Hauptverhandlung einen Selbstmordversuch unternommen hatte, von der Begutachtung des Haupttäters im Hinblick auf § 66 StGB abgesehen. Die Notwendigkeit hierzu  war leider erst spät erkannt worden. Sie hätte die Aussetzung der Hauptverhandlung mit der damit verbundenen Ungewißheit über den Bestand des Haftbefehls erforderlich gemacht. Das hätte das Opfer womöglich nicht überlebt. Deshalb hatte der BGH jetzt die Gelegenheit zur Entscheidung.