Der Abstand zum Vorausfahrenden

Eigentlich ist es ganz einfach. Laut § 4 StVO muß man hinter dem Vorausfahrenden anhalten können, wenn er plötzlich bremst, was der aber nicht ohne zwingenden Grund darf. Die Bußgeldkatalog-Verordnung hat daraus in den Nummern 12.5 bis 12.7.5 ein Monster gemacht. Ein Bußgeld von mindestens 75 € und ein bis zwei Punkte im FAER und ein Fahrverbot bis zu drei Monate erhält man, abgestuft nach Geschwindigkeiten zwischen 80 und 100 km/h und solchen über 100 km/h, bei Abstandsverkürzungen von mindestens „5/10 des halben Tachowertes“.
Dem Fahrzeugführer wird also abverlangt, aus der gefahrenen Geschwindigkeit, nehmen wir beispielsweise 137 km/h, zunächst den „halben Tachowert“ zu ermitteln, im Beispielsfall 68,5, und daraus einen Bruch zu bilden, was bei „5/10“ möglich erscheint, es sind halt 34,25 m. 4/10, 3/10 und 2/10 zu ermitteln erscheint mir schwerlich machbar. Erschwerend kommt hinzu, dass die Geschwindigkeit ja nicht fixiert ist sondern sich permanent ändert. Eben fährst du 137, dann 148 und dann wieder 119, vielleicht auch nur 80, wodurch sich der ganze Bezugsrahmen ändert. Und: kennt jemand ein Auto mit digitaler Abstandanzeige, was die Ermittlung des zulässigen Mindestabstandes eventuell erleichtern würde? Nein, sowas gibt es nicht.
Wäre aber nötig, denn wer kann schon sagen, in welchem Abstand er zum Vorausfahrenden fährt? Abgesehen davon, dass sich der Abstand eh ständig ändert, mangelt es uns an der Fähigkeit, Entfernungen zu schätzen und dies in verläßliche Angaben umzuwanden. Derselbe Abstand ist beim einen Zeugen „vielleicht 100 m“ und beim anderen „vielleicht 10 m“.
Zurück zum Beispiel. Fährt man mit besagten 137 km/h und der Abstand zum Vordermann beträgt 20,50 m, also mehr als vier Fahrzeuglängen, geht man 1 Monat zu Fuß, zahlt 160 € und 2 Punkte im FAER kommen erschwerend hinzu, die 5 Jahre lang nicht getilgt werden. Das alles, obwohl man gar nicht weiß, wie schnell man fährt, wie groß der Abstand zum Vordermann ist und welchen Mindestabstand man einhalten muß. Hingegen weiß man sicher, dass man problemlos hinter dem bremsenden Vordermann hätte anhalten können. Das kann nicht richtig sein, denn niemand darf vom Recht über das Maß hinaus gefordert werden, was er zu leisten imstande ist.
Inzwischen wird auf der schnurgeraden BAB 5 zwischen Darmstadt und Frankfurt (8streifig) der Abstand gemessen. Im dichten Kolonnenverkehr!
Der Bußgeldrichterin am zuständigen Amtsgericht Groß-Gerau entlockt das keine Bedenken. Sie beruft sich auf das OLG Frankfurt.

3 Gedanken zu „Der Abstand zum Vorausfahrenden

  1. Ich

    Wo liegt das Problem? Von 20 auf 22 zu zählen, dürfte jeder hinkriegen; damit sind 2 Sekunden schnell ermittelt. Und wer 2 Sekunden Abstand zu seinem Vordermann hat, hält auf jeden Fall einen sicheren Abstand „Tacho Halbe“ ein.

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    1. flauaus Beitragsautor

      Wo das Problem liegt? Weil im Gesetz respektive der Rechtsverordnung nichts davon steht, dass man „2 Sekunden Sicherheitsabstand“ einhalten soll. Und weil ist zwar bis 2 zählen kann, aber nicht weiß, ob sich, wenn die 2 Sekunden rum sind, mein Auto da befindet, wo sich zuvor das des Vordermann befunden hat. Mir fehlt die Vogelperspektive und die Momentaufnahme.

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  2. Sebastian Wild

    Es ist ohnehin eine Farce denn selbst wenn man den geforderten MIndestabstand einhalten würde kann man gerade bei höheren Geschwindigkeiten etwa auf der Autobahn darauf warten daß einem jemand in die Lücke zieht und der Abstand damit ad absurdum geführt wird.
    Das ist leider die Praxis. Jeder LKW Fahrer wird das beispielsweise bestätigen können.
    Ich weiss nicht wie sich die Gerichte das dann vorstellen? Langsamer werden um mehr Abstand aufzubazen bis man irgendwann auf der Straße steht? Sóbald die Lücke wieder groß genug ist geht das Spielchen ja von vorne los…

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