Archiv für den Monat: November 2011

Die Karikatur des Zeugenbeistands

Anwälte machen in dieser Rolle auffallend oft keine gute Figur. Der Antrag auf entsprechende Beiordnung ist schnell gestellt und im vorliegenden Fall auch vom Amtsgericht Bensheim positiv beschieden worden. Der Zeuge hatte schon im Ermittlungsverfahren Aussagen gemacht, die denen der Zeugin, die er „die Geschädigte“ nannte, deutlich zuwider liefen. Sie war die Kassiererin, die er zusammmen  mit einem Dritten, maskiert und bewaffner, überfallen hatte. Weiterlesen

Die einen läßt man laufen, die anderen hängt man

Der Angeschuldigte hatte eine vorfahrtsberechtigt Radfahrerin über den Haufen gefahren. Sie war verletzt, wenn auch nicht allzu stark. Danach fuhr der Angeschuldigte weiter. Mühsam, aber doch irgendwie kam man ihm „auf die Schliche“. Er ist dreifach einschlägig wegen Verkehrsdelikten in den letzten Jahren vorbestraft, davon zwei Mal wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Registerauszug ist Aktenbestandteil.
Was also macht die StA Darmstadt in einem solchen Fall? Sie schlägt gnadenlos zu! Die Fahrerflucht nach § 154a StPO im Hinblick auf die fahrlässige Körperverletzung eingestellt und derentwegen einen Strafbefehl (20 Tagessätze ‚a 30 €) beantragt. Kein Fahrverbot und schon gar keine Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Amtsgericht Bensheim hat den Strafbefehl am 21.11.11 auch so erlassen.
Demgegenüber heute Verhandlung gehabt wegen folgenloser Trunkenheitsfahrt (0,68 Promille); Ersttäter;  Ausfallerscheinungen: Schlangenlinie (Angeklagter legt Einzelverbindungsnachweis seines Handys für die Fahrtzeit vor, wonach er während der Fahrt telefoniert hatte. Das Handy hatte er, weil es geklingelt hatte, etwas mühsam aus einer Jackentasche herausfummeln müssen. Deshalb Schlangenlinien. Nach vorläufigem Entzug der Fahrerlaubnis sich einer Verkehrstherapie (IVT-Hö) unterzogen. Daher sowohl Fahruntüchtigkeit als auch Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen fraglich. Ergebnis: Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt und Entziehung der Fahrerlaubnis.
Es ist zum Haare raufen.

2. Strafsenat – allgemein schwieriges Klima

Im Falle der Konkurrentenklage des  Richters am BGH Thomas Fischer um die Besetzung der Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenates hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 24.10.2011 im Wege der einstweiligen Anordnung der Bundesrepublik Deutschland die Besetzung der Stelle vorläufig untersagt. In dem Beschluss werden die Gründe erörtert, weswegen Fischer jedenfalls zunächst nicht zum Zuge kam (in der letzten Zeit seien drei Richter aus diesem Senat ausgeschieden, weil sie mit Fischer nicht zurecht gekommen waren und im 2. Senat herrsche ein „allgemein schwieriges Klima“).

1. Verkehrsanwaltstag Berlin 2012

Endlich, möchte man ausrufen! Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV lädt zum 1. Verkehrsanwaltstag am 20./21.04.2012 in Berlin. Programm ist zwar noch nicht bekannt; man darf aber Hoffnung haben, dass  hier eine Zentralveranstaltung anwaltlicher Verkehrsrechtler aus der Taufe gehoben wird. Und das hat es bisher noch nicht gegeben – und wurde schmerzlich vermisst.

Aussageerzwingung durch Drohung mit Hauptverhandlung?

Die Staatsanwaltschaft schreibt in Verkehrsstrafsachen dem Beschuldigten, dass ein Strafbefehlsverfahren beabsichtigt sei. Dann bleibt „Ihnen eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erspart“, heißt es in dem Schreiben. Allerdings müsse man erst einmal die nachfolgenden Fragen beantworten, nämlich nach dem eigenen Einkommen und dem des Ehegatten, nach sonstigen Einnahmen, Schulden und Unterhaltsverpflichtungen.
Sollten die Fragen nicht innerhalb von zwei Wochen beantwortet werden, „werde ich Anklage erheben und beantragen, eine Hauptverhandlung gegen Sie durchzuführen“, so lautet der Schlusssatz.
Dem Verfasser dürfte bekannt sein, dass seine Erkenntnismöglichkeiten nicht alleine durch die Durchführung einer Hauptverhandlung wachsen. Die Drohung damit wird daher zur Erlangung von Angaben instrumentalisiert, deren Preisgabe indes (nemo tenetur) dem Beschuldigten freisteht.
Dass dergleichen mündlich und hinter vorgehaltener Hand gelegentlich vorkommt, daran hat man sich gewöhnt. Die Dreistigkeit (und Dummheit) so etwas auf dem Briefbogen der Staatsanwaltschaft Darmstadt aus dem Hause zu geben, die überrascht dann doch.

Neuregelungen im Strafrecht (u.a. Widerstand gg. VollstrBeamte)

Die Höchststrafe bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte beträgt nun drei statt bisher zwei Jahre.
Ein besonders schwerer Fall liegt nun auch vor, wenn der Täter bereits ein „anderes gefährliches Werkzeug“ in Verwendungsabsicht bei sich führt. Bisher mußte es eine Waffe sein. Ebensolches gilt nun auch beim besonders schweren Landfriedensbruch.
Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten gleichstehende Personen wurde auf professionelle Helfer bei Unglücksfällen u. dgl. ausgedehnt, soweit deren Tätigkeit gewaltsam behindert wird.
Neu ist ein minder schwerer Fall des Diebstahls mit Waffen, Banden- bzw. Wohnungseinbruchdiebstahls. Der Strafrahmen ist hier 3 Monate bis 5 Jahre (statt 6 Monate bis 10 Jahre im „Normalfall“).
Schließlich wurde die Strafbewehrung für die Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel auf solche der Polizei, der Bundeswehr und des Katastrophenschutzes, des Rettungsdienstes und der Feuerwehr beschränkt.
BGBl. I 2011, 2130 vom 01.11.2011

Der Freispruch des Rockers

Der 2. Senat des BGH hat das Urteil des LG Koblenz aufgehoben, das ein führendes Mitglied der Hells Angels wegen Todschlags eines Polizisten zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt hatte.  Dieser hatte durch die Eingangstür geschossen in der Annahme, rivalisierende Bandidos seien es, die diese gerade aufzubrechen versuchen. Tatsächlich aber war es die Polizei aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses. Der Hells Angels hatte „verpisst euch“ gerufen, allerdings ohne Erfolg. Koblenz hatte gemeint, dies sei nicht ausreichend gewesen, er hätte etwa noch einen Warnschuss abgeben müssen. Der BGH hat demgegenüber entschieden, dass er hierdurch seine Verteidigungsposition geschwächt hätte. Zwei der drei Verriegelungen seien bereits aufgebrochen gewesen.
Recht aber braucht dem (vermeintlichen) Unrecht nicht zu weichen. Das ist der Rechtsbewährungsgrundsatz.
Dass die Entscheidung reflexhaft von den Polizeigewerkschaften kritisiert wird, verwundert nicht. Die sogenannte „Öffentlichkeit“ wird auch nicht entzückt sein. „Bild“ titelt, der BGH habe den „Polizisten-Killer“ laufen gelassen.
Im Rechtsstaat soll ohne Ansehung der Person des Täters und des Opfers nach Recht und Gesetz entschieden werden. Dies selbstverständlich getan zu haben, dafür bedarf der 2. Senat keines besonderen Lobes.