Archiv für den Monat: Februar 2010

Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung

In der neuen NJW (2010, 606, 582) ist die Entscheidung des BGH vom 20.10.09 veröffentlicht und von der Kollegin Kappus aus Frankfurt besprochen. Danach gilt bei Abrechnung der Reparaturkosten nach Verkehrsunfall auf Gutachtensbasis nun folgendes:
Ist das Auto maximal drei Jahre alt, dürfen bei der Abrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt zugrundegelegt werden.
Ist das Auto älter, muss der Schädiger die Gleichwertigkeit der Instandsetzung in der von ihm benannten freien Werkstatt darlegen und beweisen.
Ist ihm dies gelungen, hat der Geschädigte immer noch die Möglichkeit, die Unzumutbarkeit darzulegen und zu beweisen. Dies wird ihm dann gelingen, wenn das Fahrzeug regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet worden ist oder nach einem anderen Unfall bereits einmal ebendort fachgerecht repariert worden ist.

1,54 Promille …

… ergeben sich bei einer ca. 60kg-Frau bei einer Flasche Wein, mehr bedarf es dazu nicht. Die Rechtsfolgen sind ebenso klar. Die Fahrerlaubnis wird entzogen und wird in 9 bis 13 Monaten neu erteilt. Die Geldstrafe wird 1 bis 1 1/2 Nettomonatsgehälter betragen. Kein Kavaliersdelikt zwar, wobei die Formulierung bei einer Frau nicht wirklich glücklich ist, aber auch kein Drama. Strafe muß sein und das war’s dann.

Strafanzeige per Handy…

…und zwar vom Auto aus. Kann ich nur warnen davor. Ist heute gang und gäbe. Auch so schön bequem. Eben mal ein bißchen „uffgereeschd“ auf der Autobahn über einen anderen Verkehrsteilnehmer, schon die „110“ angerufen (drunter macht man’s nicht, zumal man eh nicht die Nummer der zustänigen PAST (Polizeiautobahnstation) hat) und das Ganze als Nötigung, Straßenverkehrsgefährdung, Mordversuch usw. eingeordnet. Weiterlesen

Richter Ballmann

Jetzt wo man weiß, wer das Phantom Ballmann war: er hat mir vor 15 Jahren mal eine Klage abgewiesen, weil mein Mandant angeblich Opfer eines Unfallhelferringes geworden sei, dem auch sein Anwalt angehöre. War nicht berufungsfähig. Und dann hat er das Urteil auch noch in der DAR veröffentlichen lassen. Hat mich schon geärgert. Aber egal. An seinem Blog hatten viele Spaß. Warum ein Amtgerichtsdirektor nicht blogen soll, ist mir i.ü. schleierhaft.

Durch OLG Hamburg wird jetzt auch bloß „unmoralisches“ Verhalten bestraft

Nach einer gestern in der folgenden Pressemitteilung des OLG Hamburg bekannt gemachten Entscheidung zu § 184b IV StGB liegt strafbarer Besitz von kinderpornografischen Schriften bereits bei dem bloßen Betrachten solcher Seiten auf dem Bildschirm des Computers vor. Es bedarf keines Herunterladens für das Vorliegen einer Tathandlung. Das wird zu diesem Thema sicher nicht das letzte Wort sein. Thomas Fischer hat die sich insoweit ankündigende Ausuferung in seinem Kommentar (Rn. 21b) jedenfalls schon einmal kritisiert. Zu Recht befürchtet er die „Strafbarkeit unmoralischen Verhaltens ohne jegliche Aussenwirkung“ (Rn. 21c).

http://justiz.hamburg.de/2097812/pressemeldung-2010-02-16.html

„… und antifaschistischer Bundesstaat“ II

Ich hatte bereits am 4. Februar 2010 über den Wunsiedel-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts berichtet. Volkmann hat die Entscheidung jetzt in NJW 2010, 417 besprochen. Hieraus einige Zitate:
„… sind die Tore für willkürliche Begrenzungen der Meinungsfreiheit geöffnet. Es besteht dann die Gefahr, dass der Kreis der grundlegenden Wertungen zu weit gezogen wird und aus der politischen Debatte auch jene bloß unbequemen Äußerungen ausgeschlossen werden, auf die gerade eine nicht im Juste-milieu erstarrte Demokratie angewiesen ist. Diskussionsverbote erwecken zudem immer den Anschein, als hätte man etwas zu verbergen oder zu befürchten; sie sind traditionell das Mittel derer, die ihre selbst nicht sicher sind „(a.a.O., S. 418). Weiterlesen

Absehen von MPU bei Abstinenznachweis von nur vier Monaten

Mandant war in allgemeiner polizeilicher Verkehrskontrolle mit geringer Menge Amphetamin in der Hosentasche aufgefallen. Fahrerlaubnisbehörde ordnete ärztliche Untersuchung an. Nichts feststellbar. Arzt fragt nach Drogenkonsum. Mandant gibt an, bis zur Kontrolle täglich Haschisch, regelmäßig am Wochenende Amphetamin und gelegentlich Kokain konsumiert zu haben. Seit vier Monaten sei er abstinent, was der Arzt für glaubhaft befindet. Mandant spricht mit seinem Anwalt vorsorglich bei Fahrerlaubnisbehörde vor. Man weiß, diese könnte sofort die Fahrerlaubnis entziehen und eine neue erst nach positivem MPU-Gutachten wieder erteilen, das regelmäßig eine einjährige Abstinenz voraussetzt. Weiterlesen

Schmerzensgeld als einzusetzendes Vermögen in der PKH

Diesmal hat das Landgericht Darmstadt Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26.1.2010 mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin müsse eigenes Vermögen einsetzen, welches sie nach eigenem Vortrag in Gestalt von vorgerichtlich gezahltem Schmerzensgeld in Höhe von 28.000 € besitze.
Da Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 22.000 € begehrt werde, entstünden lediglich Verfahrenskosten (Gericht und eigener Anwalt) in Höhe von 3000 €, so dass dieses bereits erhaltene Schmerzensgeld nur zu einem geringen Bruchteil tangiert werde. Weiterlesen

Das OLG muß es richten

Ich hatte in meinem Beitrag vom 4. Januar 2010 darüber berichtet, wie ein Einzelrichter am Landgericht Darmstadt versucht, die Justiz (und sich) vor Gewaltsopfern und deren überzogenen Ansprüchen zu bewahren.
Das Oberlandesgericht hat dem mit Beschluss vom 1. Februar 2010 (24 W 4/10) Einhalt geboten. Das OLG stellt fest, dass bereits am 11. September 2008 Prozesskostenhilfe in vollem Umfang bewilligt worden sei, die nicht nachträglich entzogen werden könne, wenn nicht die Voraussetzungen des Paragraphen 124 ZPO vorlägen. Soweit der Kläger einen Mindest- schmerzensgeldbetrag von 100.000 € im Klageantrag angegeben habe, sei dies zulässig und ohne weiteres vereinbar damit, dass er angemessenes Schmerzensgeld in der Klagebegründung in einer Größenordnung zwischen 100.000 und 400.000 € angesiedelt habe.
„Im vorliegenden Falle sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Landgericht vor umfängliche Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Prüfung des klägerischen Begehrens vorgenommen hätte. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wurde bis heute nicht festgesetzt. “
Das Landgericht habe nun über die Frage zu befinden, in welcher Höhe über 100.000 € hinaus ein Schmerzensgeld angemessen ist.
“ Der Vollständigkeit halber weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die ebenso anerkannte Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Geldrente (375 €) keinen Einfluss auf die Bemessung des Schmerzensgeldes haben kann. Denn ein Rentenschmerzensgeld hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt erstrebt. Sein  Begehren war eindeutig auf Paragraph 843 BGB gestützt; es erfasst Schäden durch Minderung der Erwerbsfähigkeit und durch Vermehrung der Bedürfnisse (Klageschriftseite 8-10). Paragraph 843 BGB regelt einen Fall des materiellen Schadens. „

… und antifaschistischer Bundesstaat! (BVerfG 1 BvR 2150/08)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 04.11.2009 (NJW 2010, 47) Art. 20 Abs. 1 GG wie oben angegeben ergänzt und steht damit in Kontinuität zur verblichenen DDR, die ja auch und vor allem ein antifaschistischer Staat war, wobei es ja richtigerweise antinationalsozialistischer Staat heißen müßte, aber der schöne verkosennamte Begriff „Antifa“ hat sich halt eingebürgert.
Es ging um die Verfassungsmäßigkeit von Paragraph 130 Abs. 4 StGB, der einzig deswegen eingeführt worden ist, um „Gedenktage“ anlässlich des Todes von Rudolf Heß in Wunsiedel verbieten zu können. So geschah es auch und bis zum Bundesverwaltungsgericht blieb es bei den Verboten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 131, 216) gab sich viel Mühe, Paragraph 130 Abs. 4 StGB nicht als als Gesetz getarnte Einzelfallregelung anzusehen.
Das Bundesverfassungsgericht hingegen hatte keine Skrupel die Regelung als nicht allgemeines Gesetz gleichwohl für mit Art. 5 Abs. 1 und 2 Grundgesetz vereinbar zu erklären. Der Leitsatz des einundzwanzigseitigen Beschlusses lautet: „Paragraph 130 Abs. 4 StGB ist auch als nicht allgemeines Gesetz mit Art. 5 Abs. 1 und 2 Grundgesetz vereinbar. Angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 5 Abs. 1 und 2 Grundgesetz für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzen, eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent.“
Der ehemalige Vorsitzende Richter einer Strafkammer des Landgerichts Hamburg Günter Bertram hat die Entscheidung in NJW-Aktuell Heft 50/2009, VII und in einem Leserbrief in der FAZ vom Dienstag scharf kritisiert.

siehe zu hierzu auch Volkmann: „Die Geistesfreiheit und der Ungeist“, NJW 2010, 417