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Die Oberstaatsanwältin oder: mit wem man es so zu tun hat im Gerichtssaal

Während einer unterbrochenen Sitzung des 17. Strafkammer des Landgerichts Darmstadt beliebte es mir, die mir persönlich nicht bekannte Sitzungsvertreterin der Anklagebehörde mit „Frau Staatsanwältin“ anzusprechen und sogleich zur Sache zu kommen. Ich kam nicht weit. Nach so ca. 2-3 Sätzen entgegnete sie: „Oberstaatsanwältin!“ und blickte dabei eisig drein.
Ich sagte: „Ach so, wir waren uns ja nicht vorgestellt worden“.
Sie: „Sie könnten ja vorher fragen, mit wem sie es zu tun haben, wenn sie jemanden ansprechen!“
Ich: „Ich werde Sie nie wieder ansprechen“.

Wie man wohl behandelt wird, wenn man ihr als Angeklagter begegnet?
Und wer prüft eigentlich die charakterliche Eignung von Staatsanwältinnen und Oberstaatsanwältinnen? Und wenn dies nicht geschieht: warum nicht? Mit solchen Gedanken verließ ich heute fünf Minuten nach dem kurzen Dialog die inzwischen geschlossene Sitzung.

 

Die einen läßt man laufen, die anderen hängt man

Der Angeschuldigte hatte eine vorfahrtsberechtigt Radfahrerin über den Haufen gefahren. Sie war verletzt, wenn auch nicht allzu stark. Danach fuhr der Angeschuldigte weiter. Mühsam, aber doch irgendwie kam man ihm „auf die Schliche“. Er ist dreifach einschlägig wegen Verkehrsdelikten in den letzten Jahren vorbestraft, davon zwei Mal wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Registerauszug ist Aktenbestandteil.
Was also macht die StA Darmstadt in einem solchen Fall? Sie schlägt gnadenlos zu! Die Fahrerflucht nach § 154a StPO im Hinblick auf die fahrlässige Körperverletzung eingestellt und derentwegen einen Strafbefehl (20 Tagessätze ‚a 30 €) beantragt. Kein Fahrverbot und schon gar keine Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Amtsgericht Bensheim hat den Strafbefehl am 21.11.11 auch so erlassen.
Demgegenüber heute Verhandlung gehabt wegen folgenloser Trunkenheitsfahrt (0,68 Promille); Ersttäter;  Ausfallerscheinungen: Schlangenlinie (Angeklagter legt Einzelverbindungsnachweis seines Handys für die Fahrtzeit vor, wonach er während der Fahrt telefoniert hatte. Das Handy hatte er, weil es geklingelt hatte, etwas mühsam aus einer Jackentasche herausfummeln müssen. Deshalb Schlangenlinien. Nach vorläufigem Entzug der Fahrerlaubnis sich einer Verkehrstherapie (IVT-Hö) unterzogen. Daher sowohl Fahruntüchtigkeit als auch Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen fraglich. Ergebnis: Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt und Entziehung der Fahrerlaubnis.
Es ist zum Haare raufen.

Aussageerzwingung durch Drohung mit Hauptverhandlung?

Die Staatsanwaltschaft schreibt in Verkehrsstrafsachen dem Beschuldigten, dass ein Strafbefehlsverfahren beabsichtigt sei. Dann bleibt „Ihnen eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erspart“, heißt es in dem Schreiben. Allerdings müsse man erst einmal die nachfolgenden Fragen beantworten, nämlich nach dem eigenen Einkommen und dem des Ehegatten, nach sonstigen Einnahmen, Schulden und Unterhaltsverpflichtungen.
Sollten die Fragen nicht innerhalb von zwei Wochen beantwortet werden, „werde ich Anklage erheben und beantragen, eine Hauptverhandlung gegen Sie durchzuführen“, so lautet der Schlusssatz.
Dem Verfasser dürfte bekannt sein, dass seine Erkenntnismöglichkeiten nicht alleine durch die Durchführung einer Hauptverhandlung wachsen. Die Drohung damit wird daher zur Erlangung von Angaben instrumentalisiert, deren Preisgabe indes (nemo tenetur) dem Beschuldigten freisteht.
Dass dergleichen mündlich und hinter vorgehaltener Hand gelegentlich vorkommt, daran hat man sich gewöhnt. Die Dreistigkeit (und Dummheit) so etwas auf dem Briefbogen der Staatsanwaltschaft Darmstadt aus dem Hause zu geben, die überrascht dann doch.

„… wächst das Rettende auch“-Altersgrenze für OStA in Sicht!

Die Berufung gegen ein amtsgerichtliches Strafurteil war zu spät eingelegt worden, was allerdings erst in der Revision gegen das Berufungsurteil auffiel. Das OLG hob daher das Berufungsurteil auf und erklärte die Berufung für unzulässig.

Die StA sandte die Akte daraufhin an das Berufungsgericht und kommentierte diese Verfügung mit: „Auf die Anträge der Verteidigung darf man nun gespannt sein – oder auch nicht.“

Nachdem ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden war, die „Spannung“ sich bei der StA also gelegt gehabt haben dürfte, vermerkte derselbe OStA, dem bereits im Mai nächsten Jahres der wohlverdiente Ruhestand winkt: „Seit über 3 Jahrzehnten bin ich gelegentlich am Rätseln, wozu man im Strafverfahren Verteidiger benötigt. Der vorliegende Fall macht es aber wieder einmal deutlich: man benötigt sie für Wiedereinsetzungsanträge wegen Fehlern, die man ohne sie nicht gemacht hätte.“

Außerdem beantragte er den Wiedereinsetzungsantrag „zumindest als unbegründet“ zu verwerfen. Das Gericht gewährte Wiedereinsetzung.

Ein Rätsel mehr ist gelöst:  Zweck des Ruhestandes ist nicht allein, den betagten OStA vor Altersüberforderung zu bewahren, sondern auch sein Arbeitsumfeld vor ihm!

Nachtrag vom 08.10.10: Gestern sprach mich ein Richter hierauf an. Erst habe er sich gefragt, woher ich seine Akte kenne, da sei ich doch gar nicht „drin“. Ob es sich um den OStA Soundso handele? In seiner Akte habe er dasselbe geschrieben. Wie Eduard Zimmermann sagen würde: „Leider kein Einzelfall.“