Archiv für den Monat: Oktober 2010

Auf die Schadenshöhe kommt es an!

Mandant soll beim Rangieren einen 15 Jahre alten Seat Ibiza beschädigt haben und sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt haben. Führerschein wurde sichergestellt. Dem widersprochen mit der Begründung, Schaden könne nicht höher als der Wiederbeschaffungswert sein und der sei bei dem Auto jedenfalls unter 1300 €. Drei Angebote aus „mobile.de“ beigefügt. Davon zwei unter 1000 €, eines bei 1290 €. AG Darmstadt daraufhin: 111a-Beschluss. Begründung: Die niedrigeren Angebote seien nicht mit dem Auto der Geschädigten vergleichbar und bei dem vergleichbaren Angebot kämen noch „Entsorgungskosten“ und „merkantiler Minderwert“ hinzu. In der Beschwerde auf den erforderlichen dringenden Tatverdacht hingewiesen, der sich auch auf die Schadenshöhe beziehen muß. Ausgeführt, dass es dem Gericht nicht zusteht, Schadenspositionen hinzuzuphantasieren. Denn Entsorgungskosten fallen nicht an, wenn, wie hier, die Geschädigte mit ihrem Fahrzeug einfach weiterfährt. Ggf. wäre auch noch ein Restwert zu berücksichtigen. Und dass bei einer derart alten Rübe eine Wertminderung nicht in Betracht kommt, egal wie hoch der Reparaturschaden ist, und von Rechts wegen ohnehin Reparaturwürdigkeit voraussetzt, hätte man als allgemeinkundig voraussetzten dürfen.

Der schreckliche 522 II!

Das Amtsgericht hatte dem Kläger nur 20 % seiner Schäden zugesprochen. Er kam mit seinem PKW aus einem Baumarkt und  hatte sich  in eine dreistreifige Straße eingetastet, auf der in beiden Richtungen der Verkehr stockte. Er wollte nach links und hatte den ersten Streifen schon überquert, als von links der Beklagte kam und mit dem stehenden klägerischen Fahrzeug auf dem mittleren Streifen mit einer sachverständig festgestellten Geschwindigkeit von 33,6 km/h kollidierte. Unstreitig wollte der Beklagte nach einer insgesamt etwa 50 m langen Strecke seinerseits links in ein  Grundstück einbiegen. Das Amtsgericht sah die Vorfahrt des Beklagten verletzt, hielt den Unfall für diesen jedoch nicht für unabwendbar. Weiterlesen

BGH zur Sicherungsverwahrung im Darmstädter Vergewaltigungsprozeß

Über den Vergewaltigungsprozeß vor dem Landgericht Darmstadt und das dortige Urteil hatte ich im Januar berichtet. Am 20.10.10 fand vor dem 2. Strafsenat die Revisionshauptverhandlung aufgrund des Revision des StA, die vom GBA vertreten wurde, statt. Nach der Pressemitteilung des BGH ist das Urteil aufgehoben worden. In welchem Umfang ist nicht ganz klar. Mit den Feststellungen jedoch offensichtlich nur insoweit, als solche für die Frage der Sicherungsverwahrung nicht getroffen worden waren. In der neuen Verhandlung vor der 10. Strafkammer des LG Darmstadt dürfte es demnach gem. § 66 II i.Verb.m. I Nr. 3 StGB insbesondere um die Frage gehen, ob der Angeklagte einen Hang zu für die Allgemeinheit gefährlichen erheblichen Straftaten hat. Hierzu bedarf es der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens.
Das Landgericht Darmstadt hatte in seiner Verhandlung fast alles richtig gemacht und gerade deshalb mit Rücksicht auf das Opfer, die während des Laufs des monatelangen Hauptverhandlung einen Selbstmordversuch unternommen hatte, von der Begutachtung des Haupttäters im Hinblick auf § 66 StGB abgesehen. Die Notwendigkeit hierzu  war leider erst spät erkannt worden. Sie hätte die Aussetzung der Hauptverhandlung mit der damit verbundenen Ungewißheit über den Bestand des Haftbefehls erforderlich gemacht. Das hätte das Opfer womöglich nicht überlebt. Deshalb hatte der BGH jetzt die Gelegenheit zur Entscheidung.

Für den Wochenendautobahnkolonnenheimfahrer

Alle fahren links. Rechts ab und an ein LKW, Womo oder sonst ein langsames Fahrzeug. Geschwindigkeit links: <100 km/h. Keine Sorge also wg. Geschwindigkeitsüberschreitung. Aber Abstand! Rutscht der Abstand mal unter 10 m (zwei Autolängen) gibt’s im Erwischensfall 240 €, 4 Punkte und 2 Monate Fahrverbot. Alternative: rechts vorbei. BKatV: „Außerhalb geschlossener Ortschaft rechts überholt: 50 €“, keine Punkte, kein Fahrverbot. Nur passieren oder fast passieren darf nichts. Sonst droht Straftat wg. Straßenverkehrsgefährdung.

Was machen eigentlich die Richter im Fall Görgülü jetzt?

Ich hatte ja schon am 28.10.08, 29.10.08, 16.01.09 und 10.04.09 über den Fall Görgülü geschrieben. Dieter Simon hat in myops Heft 10 (2010) Seite 72 über die Dissertation von Karen Klein zu diesem Fall berichtet. Was machen die ehemals der Rechtsbeugung angeklagten Richter eigentlich heute? Der VRiOLG Dr. Dieter Deppe-Hilgenberg ist nun Vorsitzender des 4. Zivilsenates und Senates für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen (zugleich 3. Senat für Familiensachen). RiOLG Georg Materlik ist jetzt Richter im 3. Zivilsenat (zugleich 1. Senat für Familiensachen) (Quelle: Geschäftsverteilungsplan). Wo RiLG Michael Kawa nun Dienst tut, ist leider nicht bekannt. Er ist vom Landgericht Halle abgeordnet.

„… wächst das Rettende auch“-Altersgrenze für OStA in Sicht!

Die Berufung gegen ein amtsgerichtliches Strafurteil war zu spät eingelegt worden, was allerdings erst in der Revision gegen das Berufungsurteil auffiel. Das OLG hob daher das Berufungsurteil auf und erklärte die Berufung für unzulässig.

Die StA sandte die Akte daraufhin an das Berufungsgericht und kommentierte diese Verfügung mit: „Auf die Anträge der Verteidigung darf man nun gespannt sein – oder auch nicht.“

Nachdem ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden war, die „Spannung“ sich bei der StA also gelegt gehabt haben dürfte, vermerkte derselbe OStA, dem bereits im Mai nächsten Jahres der wohlverdiente Ruhestand winkt: „Seit über 3 Jahrzehnten bin ich gelegentlich am Rätseln, wozu man im Strafverfahren Verteidiger benötigt. Der vorliegende Fall macht es aber wieder einmal deutlich: man benötigt sie für Wiedereinsetzungsanträge wegen Fehlern, die man ohne sie nicht gemacht hätte.“

Außerdem beantragte er den Wiedereinsetzungsantrag „zumindest als unbegründet“ zu verwerfen. Das Gericht gewährte Wiedereinsetzung.

Ein Rätsel mehr ist gelöst:  Zweck des Ruhestandes ist nicht allein, den betagten OStA vor Altersüberforderung zu bewahren, sondern auch sein Arbeitsumfeld vor ihm!

Nachtrag vom 08.10.10: Gestern sprach mich ein Richter hierauf an. Erst habe er sich gefragt, woher ich seine Akte kenne, da sei ich doch gar nicht „drin“. Ob es sich um den OStA Soundso handele? In seiner Akte habe er dasselbe geschrieben. Wie Eduard Zimmermann sagen würde: „Leider kein Einzelfall.“