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MPU auch unter 1,6 Promille

Grundsätzlich kommt die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in einmaligen Alkoholfällen nach der Fahrerlaubnisverordnung nur dann in Betracht, wenn die Alkoholmenge im Körper 1,6 Promille erreicht hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun in einem Urteil vom 17. März 2021 (3 C 3.20) entschieden, dass auch bei Werten zwischen 1,1 und 1,6 Promille eine MPU-Anordnung zulässig ist, wenn vom blutentnehmenden Arzt und/oder der Polizei bei der Kontrolle keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen feststellbar waren. Dies lasse auf hohe Alkoholgewöhnung schließen und damit sei eine hohe Rückfallgefahr indiziert.

Die obligatorische 1,1 Promille-MPU

Nach Baden-Württemberg sollen nun auch andere Bundesländer umschwenken. Von Schleswig-Holstein und Niedersachsen heißt es, dass auch dort nach vorangegangener strafrechtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis eine Neue nur nach erfolgreicher Absolvierung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung erteilt werde, soweit die Blutalkoholkonzentration über 1,1 Promille liegt.
Wieviel muss man denn da eigentlich so trinken?
Ein 80 kg-Mann, der im Halbstundentakt 1 Bier à 0,5 l trinkt, hat nach diesem eine BAK von 0,21 Promille, nach 2 Bier von 0,42 Promille, nach 3 Bier von 0,63 Promille, nach 4 Bier von 0,84 Promille, nach 5 Bier von 0,98 Promille und erst nach 6 Bier, also 3 Litern bzw. 120 g reinem Alkohol 1,19 Promille
(nach der Widmark-Formel (Alk. in g dividiert durch das Produkt aus Reduktionsfaktor und Körpergewicht) bei einem Resorptionsdefizit von 0,20 %, einem Reduktionsfaktor von 0,7 und einem stündlichen Abbau von 0,15 Promille).

MPU für alle (VGH-Mannheim 10 S 1748/13)

Durch die Eilentscheidung des VGH Mannheim vom 15.01.14 wird es nun erstmals  nicht mehr nur europäischen sondern auch binnendeutschen Führerscheintourismus geben. Denn infolge dieser Entscheidung ist zur Beglückung und zur Arbeitsbeschaffung der Verkehrspsychologen für Baden-Württemberg nun geregelt, dass stets eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden muß, wenn durch den Strafrichter die Fahrerlaubnis alkoholbedingt entzogen war, also insbesondere auch in den Fällen folgenloser Trunkenheitsfahrt im Promillebereich zwischen 1,1 und 1,6 sowie bei relativer Fahruntüchtigkeit in Straßenverkehrsgefährdungsfällen, also auch u.U. deutlich unter 1 Promille BAK.
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MPU-Gutachten bei Fahrradfahrer mit mindestens 1,6 Promille

Nach dem VGH Kassel darf die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens von einem Fahrradfahrer verlangen, der am Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille teilgenommen hat (NJW 2011, 1753).
Verweigert er die Beibringung oder ergibt sich aus dem Gutachten seine Ungeeignetheit zur Teilnahme am Straßenverkehr, kann ihm die Teilnahme am Straßenverkehr (mittels Fahrrad) untersagt werden.

MPU für Fahrradfahrer …

… ist grundsätzlich möglich. Wird nicht „bestanden“ oder kein Gutachten beigebracht, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Benutzung von Mofa und Fahrrad verbieten, §§ 3 I, II, 13 S. 1 Nr. 2 lit c; 2 IV StVG.
Dies hat aber Grenzen. Bei einem erstmals nachts auf einem Fahrradweg mit 2,33 Promille fahrenden Fahrradfahrer ist sowohl die Anordnung der Beibringung eines MPU-Gutachtens als auch das wegen der Nichtvorlage angeordnete Verbot der Nutzung von Fahrrad und Mofa wegen Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig (OVG Koblenz-NZV 2010, 54).

Absehen von MPU bei Abstinenznachweis von nur vier Monaten

Mandant war in allgemeiner polizeilicher Verkehrskontrolle mit geringer Menge Amphetamin in der Hosentasche aufgefallen. Fahrerlaubnisbehörde ordnete ärztliche Untersuchung an. Nichts feststellbar. Arzt fragt nach Drogenkonsum. Mandant gibt an, bis zur Kontrolle täglich Haschisch, regelmäßig am Wochenende Amphetamin und gelegentlich Kokain konsumiert zu haben. Seit vier Monaten sei er abstinent, was der Arzt für glaubhaft befindet. Mandant spricht mit seinem Anwalt vorsorglich bei Fahrerlaubnisbehörde vor. Man weiß, diese könnte sofort die Fahrerlaubnis entziehen und eine neue erst nach positivem MPU-Gutachten wieder erteilen, das regelmäßig eine einjährige Abstinenz voraussetzt. Weiterlesen

Verkehrstherapie statt „MPU“

Das Landgericht Düsseldorf (DAR 2008, 597) hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf bestätigt, das in der Hauptverhandlung einem wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 2,12 Promille Angeklagten den Führerschein bereits 5 1/2 Monate nach der Tat wieder aushändigte, nachdem sich dieser einer sogn. IVT-Hö-Verkehrstherapie unterzogen hatte und Abstinenz für diesen Zeitraum glaubhaft machen konnte. Die Fahrerlaubnisbehörde ist an die Entscheidung des Strafgerichts gebunden und darf keine MPU anordnen.

Drei Verhandlungen… Teil 3

Vorgestern in Michelstadt: Zwei Mal vorbestraft wegen Trunkenheitsfahrten, zuletzt 2003. Dabei eine viermonatige Bewährungsstrafe erhalten. Bewährungszeit überstanden, Strafe erlassen, Fahrerlaubnis nach MPU wiedererteilt erhalten. Ende 2008 Trunkenheitsfahrt mit 2,6 Promille. Angst vor Freiheitsstrafe ohne Bewährung nach der üblichen Schema-F-Eskalationsstufe: Geldstrafe, Freiheitsstrafe mit und im zweiten Wiederholungsfall ohne Bewährung. Angst unbegründet. Schon Staatsanwaltschaft betont, daß letzte einschlägige Verurteilung fünf Jahre zurück liegt und die damalige Bewährungszeit überstanden worden war. Sie beantragt daher eine sechsmonatige Bewährungsstrafe, die auch verhängt wird.

EU-Fahrerlaubnis ist tot

Der Erwerb einer Fahrerlaubnis im EU-Ausland war durch die EuGH-Entscheidungen „Halbritter“ und „Kapper“ auch zur Umgehung einer sogn. „MPU“ in Deutschland möglich, wenn die Sperrfrist für die Wiedererteilung abgelaufen und das Wohnsitzerfordernis eingehalten war.
Seit dem 19.01.2009 ist das vorbei. Durch die 3. EU-Führerscheinrichtlinie und § 28 V FeV gibt es ein gegenseitiges Anerkennungsverbot von Fahrerlaubnissen nach der Entziehung. Die deutsche Fahrerlaubnisbehörde kann allerdings das Recht erteilen, von einer ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, wenn die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen. Ist Wiedererteilungsvoraussetzung in Deutschland aber ein positives MPU-Gutachten, wird sie dieses Recht auch nicht erteilen. Daher ist der EU-Führerschein und der damit verbundene Tourismus seit dem 19.01.2009 tot. Wer seither von einem solchen ausländischen Führerschein Gebrauch macht (und sich nicht das Recht ihn zu führen von der deutschen Fahrerlaubnisbehörde erteilen läßt) macht sich strafbar (s.a. Mosbacher, Gräfe; Führerscheintourismus; NJW 2009, 801).

MPU-Statistik

Insgesamt sind die MPU-Fälle im vergangenen Jahr leicht um 3 % zurückgegangen.
Von den aber immerhin doch noch 104.481 Untersuchungen waren die meisten Alkoholfälle, nämlich 57 %.
18 % entfielen auf Drogen- und Medikamentenfälle.
1/4 sind sonstige Anlässe, unter die wohl vor allem diejenigen fallen, die 18 und mehr Punkte in Flensburg gesammelt haben.
Wegen körperlicher Mängel wurde nur in etwa 1 % der Fälle eine MPU angeordnet. In absoluten Zahlen sind dies aber auch 1000 Fälle pro Jahr.
(Quelle: auto, motor und sport 4/2009, S. 9)