Schlagwort-Archive: Thomas Fischer

„Köln“ sei Dank!

Renzikowski in NJW 2016 3553 ff zum neuen Sexualstrafrecht u.a. zu dem neuen § 184 j StGB:
„Der Straftatbestand (der Förderung von sexuellen Übergriffen)* ist eine der schlimmsten Verirrungen des Gesetzgebers und hat mit einem rechtsstaatlichen Strafrecht nichts zu tun*… Die Straftat nach § 177 oder § 184 i StGB soll eine bloße objektive Bedingung der Strafbarkeit sein, von deren tatsächlicher Begehung der Täter nicht die geringste Ahnung haben muss. Zusammengefasst genügt also die zufällige Anwesenheit in einer Menschenmenge mit zugestandenermaßen unlauteren Absichten, um jemanden für ein Sexualdelikt mitverantwortlich zu machen … (3557) Man fragt sich, warum beim BMJV eine Expertenkommission zur -überfälligen- Reform des Sexualstrafrechts eingesetzt wird,wenn diese Problem handstreichartig durch eine Tischvorlage erledigt wird*, ohne die Ergebnisse der Fachleute abzuwarten. Die § 184 j StGB zu Grunde liegende Vorstellung, dass man für alles, was irgendeiner Person angetan wurde, unbedingt einen Sündenbock verurteilen muss, führt in ein totales Strafrecht. Es ist zu hoffen, dass das BVerfG diesem Wahn Einhalt gebietet.“* (3558)

Fischer schreibt in der 64. Auflage des StGB-Kommentars: „Die Vorschrift ist eine populistisch gefärbte Demonstration angeblicher Schutzbereitschaft im Gefolge der medial hysterisierten „Ereignisse von Köln“. Insgesamt ist die Verfassungsmäßigkeit der Regelung erheblichen Zweifeln ausgesetzt“ (a.a.O., § 184j Rn. 13; s.a. Pichler, StRR 16, H. 9, 4, 7).

*Hervorhebung und Klammer von mir

Thomas Fischer von Leutheusser-Schnarrenberger als Vorsitzender des 2. Strafsenates vorgeschlagen

Wie Detlef Burhoff unter Bezug auf die Frankfurter Rundschau mitteilt, sei für Fischer die Weiche nun endlich in Richtung Vorsitz desjenigen Strafsenates gestellt, dem er schon seit vielen Jahren angehört und der maßgeblich von ihm geprägt wird. Fischer ist am 29. April 60 Jahre alt geworden. Ihm stehen somit nur einige wenige Jahre zur Verfügung. Sein „Programm“ läßt sich erahnen, wenn man alleine den zuletzt veröffentlichten und mit seinen Senatskollegen Ralf Eschelbach und Christoph Krehl verfassten Aufsatz „Das Zehn-Augen-Prinzip“ (StV 2013, 395) liest. Beschlussentscheidungen eben danach statt dem bisherigen Vier-Augen-Prinzip; die Renaissance des Verfahrensrechts (vielleicht sogar der Verfahrensrüge?). Zurück zur alter Formenstrenge. Man darf gespannt sein.

Thomas Fischer (u.a. Mitglieder des 2. Senats): Die Strafprozeßordnung ist …

„…das Gebilde einer Rechtsordnung …, in deren alte Formen über Jahrzehnte ein formloser Brei eingewandert ist, der sie von innen zersetzt hat, und die ihre formale Kraft nunmehr nach Maßgabe von Zweckmäßigkeit oder jeweiliger Verfahrens-Macht vorgaukelt. Er trägt den Namen Opportunität, Effektivität, Beschleunigung und Absprache.“

Fischer, Eschelbach, Krehl, Zehn-Augen-Prinzip, StV 2013, 395 (399)

Folgen des Streits um den Vorsitz des 2. Strafsenates des BGH

In der Entscheidung des 2. Senats (2 StR 482/11) über ein (aufzuhebendes) Urteil des Landgerichts Gera kann man nachlesen, warum dieser Senat sich  für vorschriftsmäßig besetzt hält, obwohl in der Entscheidung 2 StR 346/11 im Hinblick auf die Doppelbelastung des Vorsitzenden der beiden Senate Dr. Ernemann Bedenken geäussert worden waren, dieser sei deswegen (Doppelbe- und Überlastung) kein gesetzlicher Richter, weswegen dieses Revisionsverfahren ausgesetz worden war.

2. Strafsenat – allgemein schwieriges Klima

Im Falle der Konkurrentenklage des  Richters am BGH Thomas Fischer um die Besetzung der Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenates hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 24.10.2011 im Wege der einstweiligen Anordnung der Bundesrepublik Deutschland die Besetzung der Stelle vorläufig untersagt. In dem Beschluss werden die Gründe erörtert, weswegen Fischer jedenfalls zunächst nicht zum Zuge kam (in der letzten Zeit seien drei Richter aus diesem Senat ausgeschieden, weil sie mit Fischer nicht zurecht gekommen waren und im 2. Senat herrsche ein „allgemein schwieriges Klima“).

Präklusion im Strafprozeß

Beim 13. Strafverteidiger-Frühjahrssymposium am vergangenen Wochenende in Karlsruhe hatte Eberhard Kempf die neue Rechtsprechung des 1. Strafsenats des BGH, wonach einerseits das Kriterium der Wesentlichkeit einer zu erwartenden Verfahrensverzögerung bei einem zum Zwecke der Prozeßverschleppung gestellten Beweisantrag jedenfalls restriktiv auszulegen, wenn nicht gar aufzugeben sei (BGH St 51, 333) ebenso kritisiert wie die Entscheidung des 1. Strafsenats im 52. Band, Seite 355, wonach bereits nach 10 Verhandlungstagen es dem Vorsitzenden nicht verwehrt sei, eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen zu setzen. Dies sei contra legem entschieden, nämlich entgegen § 246 I StPO.
Der 5. Senat hatte die Fristsetzung ursprünglich einmal in einem Verfahren von 3 1/2jähriger Dauer und 291 Verhandlungstagen und einer einer wahren Antragsflut des Verteidigers Rieger (zu Recht) für zulässig erachtet (NJW 2005, 2466).
Armin Nack hat unter Verweis auf den Beschluss des BVerfG, der zu der im 52. Band abgedruckten Entscheidung ergangen ist (NJW 2010, 592), wonach ihr Verfassungsrecht nicht entgegenstünde, in einem Statement davon gesprochen, dies müßten die Rechtsanwälte nun so hinnehmen und er könne dazu auch eigentlich „basta“ sagen. Weiterlesen

Abschied von der schadensgleichen Vermögensgefährdung

Die Rechtsprechung des BGH, insbesondere des für Hessen, das Rheinland und Thüringen zuständigen 2. Strafsenates, scheint sich von der Strafbarkeit der bloßen Vermögensgefährdung bei Betrug und Untreue verabschieden zu wollen. Noch auf Reichsgerichtlicher Rechtsprechung beruht die Annahme, daß die Herbeiführung einer bloßen Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil darstelle, wenn der Vermögensverlust zwar nicht eingetreten ist, jedoch nahe liegt. Thomas Fischer, Richter im 2. Senat und Kommentator des weitverbreitesten Strafgesetzbuch-Kommentars, schreibt dazu: „Die Definition ist freilich bemerkenswert ungenau und zudem widersprüchlich: Die Erklärung, ein Nachteil sei gegeben, wenn mit einem Nachteil zu rechnen ist , formuliert symptomatisch den Ursprung eines zu Verwirrungen führenden Fehlverständnisses. Sie ist, wörtlich genommen, mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar“ (Fischer-StraFo 2008, 269). Das sind deutliche Worte.