Archiv für den Monat: September 2008

Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr

Bei gefährlicher Körperverletzung, die etwa dann vorliegt, wenn die Tat gemeinschaftlich begangen wurde, kann Untersuchungshaft gem. § 112a I Nr. 2 StPO angeordnet werden, wenn Wiederholungsgefahr vorliegt. Dies aber wegen der Subsidiarität dieses Haftgrundes nur dann, wenn die Untersuchungshaft nicht bereits aus anderen Gründen vollzogen wird, etwa wegen Fluchtgefahr (§ 112a II). 

Es müssen dann mindestens zwei gleichartige Taten vorliegen und für die, für die der Haftbefehl beantragt wurde (Anlaßtat), muß eine Strafe von mehr als einem Jahr zu erwarten sein. Nicht berücksichtigt werden dürfen rechtskräftig abgeschlossene Verfahren, auch wenn sie gleichartige Taten zum Gegenstand hatten.

Entziehung der Fahrerlaubnis bei Fahrerflucht und Höhe des Fremdschadens ab 1.400 €

Bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort kann die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn bedeutender Fremdschaden entstanden ist. Auf Antrag erteilt die Führerscheinstelle nach Ablauf von mindestens sechs Monaten eine neue Fahrerlaubnis. Zum Fremdschaden gehören die Reparaturkosten, ggf. eine Wertminderung und die Bergungskosten, nicht: Gutachterkosten oder Mietwagenkosten.

Das Landgericht Frankfurt hat die Wertgrenze jetzt von 1.000 € auf 1.400 € heraufgesetzt und damit der Einkommens- und Preisentwicklung angepaßt (LG-Frankfurt, Der Verkehrsanwalt 2008, 144). Liegt der Fremdschaden darunter, darf die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden.

15 % Aufschlag zum Normaltarif bei Unfallersatztarif zulässig

Der BGH hat in einer Entscheidung zum wiederholten Male Stellung genommen zur Angemessenheit des Unfallersatztarif bei Mietwagen und dem Tatrichter gestattet, dessen Angemessenheit mit einem 15%igen Aufschlag auf den Normaltarif zu schätzen. Dem Geschädigten wurden so nur etwa 1/3 der tatsächlichen Mietwagenkosten erstattet (BGH-NJW 2008, 2910).

Deutsches Hausaufgaben Gesetz

Als mein Sohn (7) mich gestern zum Abendessen abholte, fiel sein Blick auf den „Schönfelder“ die Sammlung deutscher Gesetze. Das wäre aber ein dickes Buch, was denn da alles drin stehe, fragte er. Gesetze, meinte ich, worauf er sich wunderte, die könne man ja gar nicht alle kennen. Da könne er sich auch dann nicht dran halten. Die Auskunft, die Gesetze seien vor allem für Erwachsene, beruhigte ihn nur vorläufig. Dann fragte er: „steht da auch drin, daß man seine Hausaufgaben machen muß?“

Recht und Gerechtigkeit

Der langjährige Justizreporter des SPIEGEL Rolf Lamprecht hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Die Lebenslüge der Juristen“ mit dem Untertitel „Warum Recht nicht gerecht ist“. Dieter Simon hat das Buch in Heft 4 von Myops besprochen. Er empfiehlt es in der Juristenausbildung als Pflichtlektüre, über deren jetzigen Zustand er wenig löbliches zu sagen hat. Er spricht von Bachelorschlamassel.              Allerdings teilt er nicht Lamprechts Auffassung, wonach es sich bei der Einschätzung, Recht sei nicht gerecht, um eine Lebenslüge der Juristen handele. Dies sei den Juristen durchaus bewußt und anderes werde in der Regel auch nicht behauptet, weswegen auch eine Lebenslüge nicht vorliege.           Erreichen müsse man, daß Recht gerechter werde und hier müsse man an der Juristenausbildung ansetzen. Ethik und Rhetorik müßten Pflichtfächer werden.

HWS-Schleudertrauma auch bei harmlosen Unfällen möglich

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 8.7.2008 (NJW 2008, 2845) seine Rechtsprechung aus NJW 2003, 1116 bestätigt, wonach es auch bei Frontalzusammenstößen keine Harmlosigkeitsgrenze gibt, bei der Verletzungen der Halswirbeksäule ausgeschlossen wären. Ob diese vorliegen, ist Frage des Einzelfalles und nicht davon abhängig, daß eine niedrige Anstoßgeschwindigkeit vorlag. Sie könnten sich etwa aus der konkreten Sitzposition oder einer unbewußten Drehung des Kopfes ergeben. Daran ändere auch nichts, daß die Verletzungen nicht „objektivierbar“ seien, der Arzt also im Attest nur die subjektiv empfundenen Beschwerden des Patienten schildere.

EU-Führerschein mit deutschen Wohnsitzdaten vermeiden!

Der EuGH hat am 26.06.2008 (NJW 2008, 2403) entschieden, daß ein EU-Führerschein z.B. aus Polen oder Tschechien in Deutschland nicht anerkannt werden muß (und zukünftig auch nicht mehr anerkannt werden wird), wenn zum Zeitpunkt der Ausstellung das Wohnsitzerfordernis im Ausstellerland nicht gegeben war, dem Führerscheininhaber mit anderen Worten sein deutscher Wohnsitz in den Führerschein eingetragen worden war. Unschädlich ist aber, wenn im Führerschein gar kein Wohnsitz eingetragen ist, weil dies ein Führerschein innerhalb der EU nicht voraussetzt.

Drogen im Straßenverkehr nur strafbar bei Ausfallerscheinungen

Bei Drogen gibt es eine absolute Fahruntüchtigkeitsgrenze, wie die von 1,1%o bei Alkohol, nicht. Strafbar ist die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogen daher nur, wenn sie zur Fahruntüchtigkeit führt. Diese wird aus vorhandenen Ausfallerscheinungen hergeleitet. Das Amtsgericht Bielefeld hat nun entschieden, daß dazu nicht auffällige Fahrweise genügt, wenn nicht gerade Schlangenlinien gefahren werden oder Verkehrsgebote mißachtet werden, ebensowenig Schweißperlen auf der Stirn und gerötete Augen oder Müdigkeit, wenn man nachts in eine Polizeikontrolle gerät, und auch nicht alles zusammen (AG Bielefeld-ZfS 2008, 530). 

Eine Odnungswidrigkeit liegt aber vor (250 €, 1 Monat Fahrverbot) und die Führerscheinstelle kann eine MPU anordnen oder gar sogleich die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sie Kenntnis erlangt, was regelmäßig (aber nicht immer) der Fall ist.

Schadenersatzanspruch innerhalb 130%-Grenze sofort fällig

Steht dem Geschädigten auf Grund einer sach- und fachgerecht durchgeführten Reparatur mit Kosten bis zu 130% des Wiederbeschaffungsaufwandes Ersatz zu, wird dieser sofort fällig. Er kann nicht zunächst nur auf die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert verwiesen werden, um erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach Unfall und Weiterbenutzung die restlichen Reparaturkosten innerhalb der 130%-Grenze zu erhalten (OLG Frankfurt-ZfS 2008, 505).