Archiv für den Monat: Januar 2011

Bild: bei „Aussage gegen Aussage“ wird das Gerichtsverfahren eingestellt!

Dass es von Überheblichkeit und Ignoranz zeugt, wenn Juristen auf die Lektüre der Bild-Zeitung verzichten, um sich anhand der dortigen Berichterstattung über Strafverfahren zu informieren, ist allgemein bekannt. Wo sonst findet sich ausgewogene Berichterstattung mit Hintergrundwissen sonst so trefflich kombiniert mit unkonventionellen Täter-/Verdächtigenbezeichnungen wie „Bestie“ o. ä. und Lichtbildern desselben in oft kompromitierenden Situationen?
Doch auch als juristische Fachzeitschrift wird „Bild“ und ihre Derivate oftmals verkannt. Dabei enthält sie viele hilfreiche Hinweise für den professionellen Einsatz in der Strafverteidigung. Die „Auto-Bild“ vom 21.01.2011 (S. 65) befasst sich etwa mit den strafrechtlichen Folgen von Beleidigungen unter der Überschrift: „So teuer wird der Stinkefinger…“ Dort werden in Tabellenform einzelne Artikulationen, z.B. „leck mich am Arsch“ mit den Tarifen im Strafausspruch kombiniert, im Beispielsfall etwa „300 Euro“. Okay, es wird nicht versäumt im Kleingedruckten darauf hinzuweisen: „die Strafen können je nach Fall und Urteil nach unten oder oben abweichen“. Aber das erklärt irgendwie nicht, weshalb die Tabelle etwa für „Alte Sau“ 2500 Euro ausweist. Das ist ja mehr als das Achtfache von „Leck mich am Arsch“. Weiterlesen

Strate für Maschmeyer

Musikalisch eine der besten Platten Wolf Biermanns ist „Warte nicht auf bessre Zeiten“ aus den späten sechziger Jahren. Politisch ist sie herrlich unkorrekt. Darauf ist auch „Enfant perdu“, das Biermann nach der Wechsel des Sohnes Robert Havemanns Florian von Ost nach West geschrieben hatte. Die Enttäuschung über den vermeintlichen Renegaten muß enorm groß gewesen sein.
Dieses Lied fiel ihm ein, als er in der Zeitung las, daß Gerhard Strate  für Carsten Maschmeyer tätig wird, weil der mit einem Beitrag über seine Person in Panorama aus der vergangenen Woche unglücklich ist. Der Film hieß „Der Drückerkönig und die Politik“. Die Kumpels des Drückerkönigs Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundespräsident Christian Wulff, seine Frau Veronica Ferres und seine dienstbaren Geister Bert Rürup und Walter Riester waren darin zu bewundern.
Jetzt also Gerhard Strate im Kampf gegen die Pressefreiheit. Was für ein Fall!

Siehe hierzu auch die Pressebox vom 24.01.2011.

Amtsgericht Worms vollstreckt sehenden Auges unbegründeten Sicherungshaftbefehl

Zwei Mal war er vom Amtsgericht Worms zu Freiheitsstrafen wegen Unterhaltspflichtverletzung verurteilt worden. Die Vollstreckung war jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden, u.a. mit der Weisung Unterhalt zu zahlen. In der zweiten Verurteilung wurde ein Bewährungshelfer bestellt und die Bewährungsaufsicht auf das Wohnsitzgericht übertragen. In der älteren Sache unterblieb dies versehentlich.
Die Bewährung wegen der zweiten Verurteilung lief gut. Er hatte guten und regen Kontakt zum Bewährungshelfer und diesem auch mitgeteilt, daß er seinen Wohnort gewechselt hatte. In der älteren Verurteilung beschwerte sich die Kindmutter über wenige Tage zu spät erbrachte Unterhaltszahlungen beim Amtsgericht Worms. Nachdem das Kind 18 war und nur  bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Unterhalt tituliert war, stellte er die Zahlungen ein. Die Kindsmutter lief Amok, schickte zahlreiche Briefe an das Amtsgericht Worms und erstattete Strafanzeige wegen Weiterlesen

Kachelmann-Verfahren: Grande Complication

Die FAZ berichtet heute von der demnächst anstehenden Fortsetzung des Kachelmann-Prozesses in der Schweiz, um dort eine Zeugin zu Gewalttätigkeiten des Angeklagten zu vernehmen, die dieser angeblich kurz vor den verfahrensgegenständlichen widerfahren sind. Die Zeugin ist nicht zur Aussage in Deutschland bereit (und nicht verpflichtet).
Was bei den Uhren (aus der Schweiz) die Grande Complication, wird unter den Strafverfahren mehr und mehr der Kachelmann-Prozeß: kompliziert und furchtbar teuer.

Zeugen wissen nur eines: unser Fahrer hat geblinkt!

Demnächst steht nun die OLG- Entscheidung in einer Unfallsache von vor vier Jahren an. Der Motorradfahrer hatte versucht, innerorts einen PKW mit betagtem Fahrer zu überholen. Mit im Auto: der Rest der Familie auf der verzweifelten Suche nach der Stätte, wo eine Familienfeier stattfinden sollte. Endlich hatte man die Stelle zum Linksabbiegen gefunden und entsprechend spontan den Abbiegevorgang eingeleitet. Dann krachte es.
Drei Jahre später vernahm das OLG einige der Beifahrer zu der Behauptung, der Fahrer des PKW habe ordnungsgemäß geblinkt. Das LG Darmstadt hatte sich das geschenkt. Daran könne sich sowieso keiner erinnern, selbst wenn er es damals wahrgenommen hätte. Jetzt durften die Zeugen endlich ran. Und -wie durch ein Wunder- sie erinnerten sich. Zwar an nahezu nichts anderes als an das, aber auf jeden Fall daran, wie der liebe Papa/Mann geblinkt hätte, was er ja eh immer macht, sogar auf „Privatparkplätzen“ usw. Gut, gesehen hätten sie nichts, aber gehört! Lautes Klacken und dergleichen, wäre halt so im Astra.
Wenigstens nichts von der Wahrung der doppelten Rückschaupflicht, wie man es sonst in solchen Fällen überdies noch gerne die Zeugen wahrheitswidrig „vortragen“ läßt: „Ich habe genau gesehen, wie er in den Innen-, den Aussenspiegel und dann noch mit dem Kopf nach links über die Schulter geguckt hat und dabei hat er immerfort geblinkt, das habe ich genau gehört!“  Mal sehen, was das OLG daraus macht. Ich habe einen Anscheinsbeweis zugunsten des Motorradfahrers aufgrund der Verletzung der doppelten Rückschaupflicht reklamiert.

Verteidiger verteidige! II

Der Kollege Jüdemann berichtet von einem Anwalt (Fachanwalt für Familienrecht), der sich als Strafverteidiger betätigte und erst die Revisionsbegründungsfrist versäumte und anschließend keinen Wiedereinsetzungsantrag hinbekam, während Burhoff über einen Anwalt zu berichten weiß, der sich mindestens zwei Monate lang nicht bei seinem  in Untersuchungshaft befindlichen Mandanten gemeldet hatte. Beide beschäftigten wegen ihres Verhaltens (besser: ihren Unterlassungen und Versäumnissen) die Gerichte.