Schlagwort-Archive: Verwertungsverbot

Abgehörte Selbstgespräche unverwertbar

Der 2. Senat hat am 22.12.11 entschieden, dass wegen des verfassungsrangigen allgemeinen Persönlichkeitsrechts richterlich angeordnete Aufzeichnungen „echter“ Selbstgespräche, die also nicht kommunikative Funktion haben, -gleich den „freien Gedanken“- auch in Fällen von Schwerstkriminalität unverwertbar sind (2 StR 509/10).

Zufallsfunde verwertbar, auch bei rechtswidriger Durchsuchung

Das BVerfG hat die bisherige Rechtsprechung bestätigt (NJW 2009, 3225), wonach ein Verwertungsverbot von Zufallsfunden bei einer rechtswidrigen Durchsuchung nur dann besteht, wenn der Verfahrensverstoß schwerwiegend oder bewußt oder willkürlich bagangen worden ist. Dies war im entschiedenen Fall nicht gegeben, so daß gegen den Beschuldigten zu Recht die bei diesem aufgefundenen 463 g Haschisch verwertet werden durften, die bei einer rechtswidrigen Durchsuchung wegen eines Verstoßes gegen das Markengesetz aufgefunden worden waren. Zu dem eigentlichen Anlaß der Durchsuchung hatte diese nichts erbracht.

OLG Hamm vom 18.08.2009 (3 Ss 293/09)

Die zunehmende Bedeutung der Verwerungsverbote, mit der sich schon der Artikel vom 20.08.09 beschäftigte, ist auch Gegenstand der Entscheidung des OLG Hamm:

„Unter Berücksichtigung des besonderen Gewichts des verfassungsrechtlich angeordneten Richtervorbehalts bei Wohnungsdurchsuchungen führt dessen gröbliche Verletzung durch die Justizverwaltung zu einem Verwertungsverbot der bei einer Durchsuchungsmaßnahme, die unter Verletzung der Zuständigkeitsregelungen der StPO durchgeführt worden ist.“

(aus Burhoff in LexisNexis, www.strafrecht-online.de),

„Insbesondere unter Berücksichtigung des besonderen Gewichts des verfassungsrechtlich angeordneten Richtervorbehalts bei Wohnungsdurchsuchungen führt dessen gröbliche Verletzung durch die Justizverwaltung zu einem Verwertungsverbot der bei einer Durchsuchungsmaßnahme, die unter Verletzung der Zuständigkeitsregelungen der StPO durchgeführt worden ist.“

Das Urteil befasst sich eigentlich mit der Durchsuchung, hat allerdings, worauf  das OLG Hamm ausdrücklich hinweist, auch Auswirkungen auf nächtliche Blutentnahmen. Denn der Richtervorbehalt ist nicht teilbar.

Der Kollege Dr. David Herrmann meint in der Mailingliste der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht am Freitag unter Berufung auf Burhoff, daß jetzt die Diskussion jetzt einsetzen wird. „Die Aufschreie werden nach diesem Urteil lauter werden. Man wird den Richtervorbehalt nach Möglichkeit für “geringere Eingriffe” abschaffen wollen.“

Polizeiliche Belehrungsmängel, staatsanwaltliche Aufgaben und Verwertungsverbote

Der BGH weist in seiner jetzt in der NJW (2009, 2612) veröffentlichten Entscheidung auf die Leitungsfunktion der Staatsanwaltschaft bei der Ermittlung zumindest von Tötungsdelikten dahingehend hin, daß dort nicht ausreichend ist, lediglich Richtung und Umfang der von der Polizei vorzunehmenden Ermittlungen ganz allgemein vorzugeben, vielmehr, so im entschiedenen Fall, etwa in späteren Vernehmungen eines Tatverdächtigen, der zunächst als Zeuge vernommen worden war, auf dessen qualifizierte (BGH-NJW 2009, 1427) Belehrung gem. §§ 136 I 2, 163a IV StPO hinzuwirken.
Der BGH weist auf die „immer größer werdende praktische Bedeutung der Beweisverwertungsverbote“ und die Gesamtverantwortung der StA für die ordnungsgemäße, faire und rechtsstaatliche Durchführung des Verfahrens hin. 
Angesichts dessen wird in „Kapitalsachen“ wohl mehr Arbeit auf die Staatsanwaltschaften zukommen. Verfahrensverstöße, die der BGH im vorliegenden Fall noch hat „durchgehen“ lassen, werden zukünftig wohl zu Urteilsaufhebungen führen.

Verwertungsverbot heimlicher Gesprächsmitschnitte in der Untersuchungshaft

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29.04.09 entschieden, daß heimliche Gesprächsaufzeichnungen im Besuchszimmer der Untersuchungshaftanstalt einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gem. Art. 6 Abs. 1 MRK darstellen und daher im Strafverfahren einem Verwertungsverbot unterliegen (1 StR 701/08).

Verwertungsverbot wenn Anwalt verlangt aber nicht bekommen

Spätestens seit BGH-St 38, 214 müßte jedem Ermittlungsrichter klar sein, daß er den Beschuldigten nicht einfach weiter fröhlich drauf los vernehmen kann, wenn dieser nach einem Anwalt verlangt. Die Belehrungspflicht ergibt sich aus § 136 StPO. Sie ist freilich keine Leerformel so nach dem Motto: ich belehre sie, daß sie einen Anwalt verlangen können, aber wenn sie es tun, kriegen sie trotzdem keinen.  Weiterlesen