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Grenzwerte bei Drogenfahrt nach wie vor kein Thema

Burhoff weist auf eine Entscheidung des 4. BGH Senates vom Ende des letzten Jahres hin, der gemäß es bei einer „Drogenfahrt“ auch zukünftig der, die Fahruntüchtigkeit belegenden, Beweisanzeichen bedarf, um von Fahruntüchtigkeit i.S. des § 316 StGB ausgehen zu können. Bestimmte Blutwirkstoffbefunde reichen danach nicht aus, auch wenn gewisse von der Grenzwertekommission empfohlene Grenzwerte um das fünffache überschritten sind.
Das Thema beschäftigte wiederholt den Verkehrsgerichtstag. Verbindliche Grenzwerte  wie die 1,1 Promillegrenze bei Alkohol sind medizinisch bei Drogen jedenfalls derzeit nicht zu erwarten.

Cannabis und Führerschein

1. Einmaliger Konsum (auch wenn man beim Fahren erwischt wird) indiziert nicht die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Fahrerlaubnisbehörde darf aber die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens und eines Drogenscreenings anordnen.

2. Gelegentlicher Konsum (mindestens zwei Mal) indiziert die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur, wenn der Betroffene Konsum und Fahren nicht trennen kann, also beim Fahren unter Drogeneinfluss festgestellt worden ist. Die Fahrerlaubnisbehörde entzieht die Fahrerlaubnis.

3. Regelmäßiger Konsum (täglich oder beinahe täglich) indiziert die Ungeeignetheit, die Fahrerlaubnisbehörde entzieht die Fahrerlaubnis.

Drogenfahrt bei längere Zeit zurückliegendem Konsum

§ 24a II StVG führt beim Führen von Kraftfahrzeugen „unter der Wirkung“ von Drogen bereits beim Ersttäter zu einem Bußgeld von 500 € und einem einmonatigen Fahrverbot. Außerdem ist die Fahrerlaubnisbehörde in diesen Fällen berechtigt, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu verlangen, u. U. sogar zum sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis. Weitreichende Folgen also. Bei Cannabis kann seit BVerfG-NZV 2005, 270 von „unter der Wirkung“ erst ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum ausgegangen werden.
Leider wird oft übersehen, daß auch bei Werten oberhalb dieser Grenze eine Ordnungwidrigkeit dann nicht gegeben ist, wenn der Betroffene keine Kenntnis von der Möglichkeit der weiterbestehenden Drogenwirkung hatte. Dies ist die Voraussetzung für eine fahrlässige Tatbegehung. Liegt aber der Konsum schon 24 Stunden oder länger zurück, wird diese Kenntnis regelmäßig fehlen. Der Forderung nach absoluten Grenzwerten, von Polizei und Verkehrspsychologen auch auf dem Verkehrsgerichtstag vorige Woche wieder erhoben, erteilt die medizinisch-toxikologische Forschung eine Absage. Solche Werte gibt es nicht und wird es (vorläufig) auch nicht geben.
Es bleibt also dabei, daß die Verteidigung darauf bestehen muß, daß Feststellungen zum Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit getroffen werden müssen. Ist dies nicht möglich, muß freigesprochen werden.

Kein § 24a StVG, wenn Btm-Konsum lange vor Fahrtantritt?

Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 20.08.10 (NJW 2010, 3526) die Verurteilung wegen eines Fahrens unter Cannabis-Einfluss zu Bußgeld und Fahrverbot aufgehoben und zurückverwiesen. Die Urinkontrolle hatte einen THC-Wert von 4,6 ng/ml ergeben.
Die Verurteilung scheiterte an den mangelhaften Feststellungen zur inneren Tatseite. Der Betroffene muß zumindest erkannt haben können, daß er noch unter Rauschmittelwirkung stand. Das ist allerdings nur bei kurzen Zeitspannen swischen Konsum und Fahrtantritt der Fall. Bei Zeitspannen von ca. 24 Stunden kann nicht regelmäßig davon ausgegangen werden, daß der Betroffene sich einer etwaigen Rauschwirkung bewußt ist.

Absehen von MPU bei Abstinenznachweis von nur vier Monaten

Mandant war in allgemeiner polizeilicher Verkehrskontrolle mit geringer Menge Amphetamin in der Hosentasche aufgefallen. Fahrerlaubnisbehörde ordnete ärztliche Untersuchung an. Nichts feststellbar. Arzt fragt nach Drogenkonsum. Mandant gibt an, bis zur Kontrolle täglich Haschisch, regelmäßig am Wochenende Amphetamin und gelegentlich Kokain konsumiert zu haben. Seit vier Monaten sei er abstinent, was der Arzt für glaubhaft befindet. Mandant spricht mit seinem Anwalt vorsorglich bei Fahrerlaubnisbehörde vor. Man weiß, diese könnte sofort die Fahrerlaubnis entziehen und eine neue erst nach positivem MPU-Gutachten wieder erteilen, das regelmäßig eine einjährige Abstinenz voraussetzt. Weiterlesen

Nachweiszeiten Btm

                Wirkungsdauer               Nachweis im Blut                 Nachweis im Urin

Cannabis    2-4 h                           bis zu 12 h,                          einmalig: 7-10 d
                                                       Abbauprodukte 2-3 d          häufig: 8 w
                                                       bei regelm. Konsum 3 w

Speed         2-4 h                                   6 h                                       1-4 d

XTC            3-5 h                               max. 24 h                                 1-4 d

Kokain        1-2 h                              mehrere h,                                 mehrere h,
                                                          Benzoylekgonin mehrere d        Benzoylekgonin
                                                                                                            max. 3 d,
                                                                                                            bei häufigem Konsum
                                                                                                            15-22 d

Heroin         3-6 h                              max. 8 h                                    2-7 d

Chrystal       4-12 h                            mehrer h                                    1 d-1 w

Außerdem: Nachweis in sämtlichen Körperhaaren, je nach Länge über mehrer Jahre

Cannabis und Autofahrt

Der Betroffene hatte eine THC-Konzentration von 2,7 ng/ml. Objektiv verstieß er daher gegen § 24a StVG, als er mit dem Auto fuhr. Der Grenzwert liegt seit BVerfG -NJW 2005, 349 bei 1 ng/ml.
Das OLG Celle (NJW-Spezial 2009, 106) hat nun zur subjektiven Tatseite darauf hingewiesen, daß man die Wirkung des Cannabiskonsums aber auch erkannt haben muß oder hätte erkennen können. Daran könnten Zweifel bestehen, wenn seit dem Konsum 23 Stunden vergangen sind. Es bedürfe Feststellungen etwa zur konsumierten Menge, Qualität und zur Regelmäßigkeit des Konsums (OLG Celle-NZV 2009, 89).

Fahruntüchtigkeit und Ausfallerscheinungen

Drogenbedingte Ausfallerscheinungen müssen die psycho-physische Leistungsfähigkeit, insbesondere die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit sowie die Risikobereitschaft beeinflussen. Ist dies nicht belegbar, liegt eine strafrechtlich relevante Fahruntüchtigkeit nicht vor. Bei einem Heroinabhängigen auf Entzug genügt es nicht, wenn das Gericht feststellt, es hätten die Hände gezittert, ihm sei übel gewesen, er habe Schweißausbrüche gehabt und sich nicht konzentrieren können BGH-NJW-Spezial 2008, 682).

Drogen im Straßenverkehr nur strafbar bei Ausfallerscheinungen

Bei Drogen gibt es eine absolute Fahruntüchtigkeitsgrenze, wie die von 1,1%o bei Alkohol, nicht. Strafbar ist die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogen daher nur, wenn sie zur Fahruntüchtigkeit führt. Diese wird aus vorhandenen Ausfallerscheinungen hergeleitet. Das Amtsgericht Bielefeld hat nun entschieden, daß dazu nicht auffällige Fahrweise genügt, wenn nicht gerade Schlangenlinien gefahren werden oder Verkehrsgebote mißachtet werden, ebensowenig Schweißperlen auf der Stirn und gerötete Augen oder Müdigkeit, wenn man nachts in eine Polizeikontrolle gerät, und auch nicht alles zusammen (AG Bielefeld-ZfS 2008, 530). 

Eine Odnungswidrigkeit liegt aber vor (250 €, 1 Monat Fahrverbot) und die Führerscheinstelle kann eine MPU anordnen oder gar sogleich die Fahrerlaubnis entziehen, wenn sie Kenntnis erlangt, was regelmäßig (aber nicht immer) der Fall ist.