Archiv für den Monat: Juli 2011

„Und wenn sie mir 20 Jahre geben, ich habe nichts gemacht.“

Über den Vergewaltigungsprozeß vor dem Landgericht Darmstadt hatte ich schon am 11.01.2010, 12.01.2010 und über die teilweise Urteilsaufhebung durch den BGH am 22.10.2010 berichtet. Es ging nun nur noch um die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung und (deswegen) auch um die Neubemessung der Strafe, die vom Landgericht Darmstadt im ersten Durchgang mit 15 Jahren bemessen worden war. Jetzt wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren festgesetzt und anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Im Schlusswort noch bekundete der Angeklagte, das Gericht sei einer Intrige aufgesessen. Er und seine Mittäter seien zu Unrecht verurteilt. Er sei unschuldig. Am Vortag war er zu seinen persönlichen Verhältnissen vernommen worden. Er habe nie Unrechtes getan, sei immer rechtschaffen gewesen. Habe allen immer nur geholfen.
Zehn Voreintragungen im BZR. Wegen gefKV, KV, Handeltreiben mit Btm, Raub, Entführung u.v.a.m. Alleine sechs Freiheitsstrafen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Man hatte viel Geduld bewiesen, jahrzehntelang. „Gesessen“ hatte er nie. Jetzt war Peter M. am Ende der Fahnenstange angelangt.

Cannabis und Führerschein

1. Einmaliger Konsum (auch wenn man beim Fahren erwischt wird) indiziert nicht die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Fahrerlaubnisbehörde darf aber die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens und eines Drogenscreenings anordnen.

2. Gelegentlicher Konsum (mindestens zwei Mal) indiziert die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur, wenn der Betroffene Konsum und Fahren nicht trennen kann, also beim Fahren unter Drogeneinfluss festgestellt worden ist. Die Fahrerlaubnisbehörde entzieht die Fahrerlaubnis.

3. Regelmäßiger Konsum (täglich oder beinahe täglich) indiziert die Ungeeignetheit, die Fahrerlaubnisbehörde entzieht die Fahrerlaubnis.

Der Anschlag auf die Gewaltenteilung!

Auf der letzten Mitgliederversammlung des DAV in Straßburg haben sich die DAV-Mitglieder (die Vereinsvorsitzenden) einstimmig einer Resolution des Anwaltvereins Koblenz angeschlossen, in der die Absicht der rheinland-pfälzischen Landesregierung, das OLG Koblenz entweder zu schließen oder zu einer Zweigstelle des OLG Zweibrücken herabzustufen, als neuerlicher „Anschlag auf die Gewaltenteilung“ bezeichnet wird (Anwaltsblatt 2011, 559).

Ach, ihr lieben Vereinsvorsitzenden, geht’s nicht ’ne Nummer kleiner?
Auch dass ihr so etwas einstimmig beschließt, stimmt besorgt. Das hat so was ostzonaleinheitsparteimäßiges, was euch aber zugleich immerhin davor bewahrt hat, aus der in der rheinland-pfälzischen Landeregierung erkannten Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland die Konsequenz zu ziehen und unter Berufung auf Art. 20 IV GG zu deren Sturz aufzurufen.

Pflichtverteidigerbestellung revisited

Thielmann fordert in NJW 2011, 1927 mehr Transparenz bei der Beiordnungspraxis im Strafverfahren.
Recht hat er!
Wie läuft’s z.B. beim Amtsgericht Bensheim?
Entsprechend der alten Fassung des § 142 StPO wird der Angeschuldigte aufgefordert, einen ihm beizuordnenden Verteidiger zu benennen, der aus dem hiesigen Gerichtsbezirk stammen soll. Meldet sich der Angeschuldigte nicht, bestellt die/der Vorsitzende einen Pflichtverteidiger indes nicht aus dem Bezirk des Amtsgerichts Bensheim, sondern aus den Bezirken Mannheim, Groß-Gerau oder Darmstadt-Dieburg, obwohl es keinen Mangel gibt an zur Pflichtverteidigung bereiten Rechtsanwälten im Bezirk Bensheim.

Hasta la vista, OLG Koblenz!

Wenn sich der Präsident der Rechtsanwaltskammer Koblenz Rechtsanwalt Justizrat Friedrich Jansen kritisch zur geplanten Zusammenlegung der OLGe Koblenz und Zweibrücken in Zweibrücken äussert (NJW 26/1011, Editorial) , muß man dies wohl verstehen. Denn hiermit verbunden ist gleichzeitig das Ende der RAK Koblenz (§ 60 II BRAO). Komischerweise wird dieser (Haupt-)grund für seine Meldung von ihm nicht einmal erwähnt. Statt dessen viel Werbung um Verständnis für die Justizmitarbeiter, die jetzt womöglich in die „südliche Randlage von Rheinland-Pfalz“ umziehen müssen. Das ist aber nicht der Job eines Kammerpräsidenten, sich um Justizmitarbeiter zu sorgen. Weiterlesen

Absehen von Fahrverbot bei Schichtarbeit und ungünstigen Verkehrsverbindungen

Das Amtsgericht Darmstadt hat in einem Regelfall von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen, weil der Schichtarbeiter um rechtzeitig um 6.oo Uhr zur Frühschicht zu kommen mit dem Zug bereits um 00.22 Uhr hätte losfahren müssen. Das Bußgeld wurde knapp verdoppelt. Selbstverständlich war ein Chauffeur unzumutbar. Das Fahrverbot konnte auch nicht in den Urlaub gelegt werden, weil der Arbeitgeber aufgrund guter Geschäftslage keinen einmonatigen Urlaub „am Stück“ gewährt (214 OWi – 8200 Js 15551/11).