Schlagwort-Archive: Widerspruchslösung

Richtervorbehaltsdämmerung bei der Blutprobe

Nachdem die Strafverfolger den Richtervorbehalt in § 81a StPO beharrlich ignoriert hatten und seine Befolgung vom BVerfG (zuletzt NJW 2010, 2864) eingefordert werden mußte, hat sich die Praxis damit zwar abgefunden, erhebt nun aber an den Gesetzgeber die Forderung, den Richtervorbehalt einfach zu streichen (so RiOLG Dr. Jens Peglau, NJW 2010, 2850 (2852). Es handele sich um einen „minimale(n) körperliche(n) Eingriff“ (a.a.O.), der keines Richtervorbehaltes bedürfe.

Nachtrag vom 08.10.10: Burhoff hat den Begriff der Richtervorbehaltsdämmerung aufgenommen und hierzu in Bezug auf eine niedersächsiche Gesetzesinitiative berichtet.

Verwertungsverbot bei polizeilicher Blutentnahmeanordnung (OLG Schleswig)

In dem vom Schleswig-Holsteinischen OLG entschiedenen Alltagsfall (StraFo 2010, 194) hatte die Polizeibeamtin bei einem Autofahrer so gegen 12.00 Uhr mittags, welchen Wochentags wird nicht mitgeteilt, den Verdacht, er habe sein Fahrzeug unter dem Einfluss von Drogen geführt. Sie wußte (wie jeder Polizist), daß eine Blutprobe nur von einem Richter angeordnet werden darf (§ 81a StPO), wenn nicht die Gefahr besteht, daß dann der Beweis verloren geht oder erheblich erschwert wird. Trotzdem veranlaßte sie die Blutentnahme durch einen Arzt, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, dies richterlich anordnen zu lassen. Weiterlesen

Verhaften sie die üblichen Verdächtigen

Man kann sicher darüber streiten, welcher Verfahrensverstoß der Strafverfolgungsbehörden am Ende dazu führt, dass der erhobene Beweis nicht gegen den Beschuldigten im Strafverfahren verwertet werden darf.
Offensichtliche Verfahrensverstöße aber gar nicht erst als solche zu erkennen und dann, wenn man darauf aufmerksam gemacht wird, ihn als solchen nicht anzuerkennen und (noch später) sich schön zu reden, ist indiskutabel.
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Videoüberwachungsdämmerung

In seiner Besprechung ((NZV 2009, 621) der Entscheidung des BVerfG vom 11.08.2009 (ebd. S. 618) zur Videoüberwachung erkennt Carsten Krumm in § 100 h StPO die Ermächtigungsgrundlage hierfür, erinnert die Verteidiger daran, daß sie der Verwertung des Bildmaterials (spätestens) in der Hauptverhandlung widersprechen müssen, wenn sie deren Unverwertbarkeit erreichen wollen, weist auf die Benachrichtigungs- und Belehrungspflichten des § 101 StPO hin, die dazu führen würden, daß auf die Behörden in Zukunft „erhebliche Arbeit“ zukäme, wollten sie nicht ein Verwertungsverbot alleine aufgrund eines willkürlichen Verstoßes gegen § 101 StPO riskieren, ist sich seiner Sache am Ende allerdings wohl doch nicht so sicher, wenn er jedenfalls bei dem nicht geständigen Betroffenen auf die Einstellungsmöglichkeit nach § 47 OWiG hinweist und schließlich eine eigene Ermächtigungsgrundlage in OWiG oder StVG für Videoüberwachungen fordert. Siehe auch meine Beiträge vom 21.08. und 22.09.09.

Naumburg

To see him obviously framed
Couldn`t help but make me feel ashamed to live in a land
Where justice is a game.

Bob Dylan, Hurricane

Wie war das wohl im OLG am Domplatz 10, in der 30.000 Einwohner zählenden Stadt, als drei Richter des Strafsenates über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Halle zu entscheiden hatten, weil das Landgericht Halle die Anklage wegen des Verbrechens der Rechtsbeugung gegen drei Richter des Familiensenats desselben Gerichts nicht zugelassen hatte. In einem Gericht von familiärer Größe, mit nur 46 Richterstellen. Geht man da als Berichterstatter mal ins Nachbarzimmer, in dem einer der Weiterlesen

Verwertungsverbot wenn Anwalt verlangt aber nicht bekommen

Spätestens seit BGH-St 38, 214 müßte jedem Ermittlungsrichter klar sein, daß er den Beschuldigten nicht einfach weiter fröhlich drauf los vernehmen kann, wenn dieser nach einem Anwalt verlangt. Die Belehrungspflicht ergibt sich aus § 136 StPO. Sie ist freilich keine Leerformel so nach dem Motto: ich belehre sie, daß sie einen Anwalt verlangen können, aber wenn sie es tun, kriegen sie trotzdem keinen.  Weiterlesen

Blutprobe nur bei richterlicher Anordnung

Dies gilt gem. § 81a II StPO jedenfalls grundsätzlich. Nur bei Gefahr im Verzuge darf die Blutprobe auch durch einen Staatsanwalt oder Polizisten angeordnet werden. Allerdings muß dieser zuvor versucht haben, eine richterliche Anordnung zu erlangen. War dies nicht möglich, muß er die Gründe, weswegen er von Gefahr im Verzuge ausging, in der Ermittlungsakte dokumentieren.  Die Rechtsprechung nimmt ein Verwertungsverbot des Ergebnisses der Blutprobe nur dann an, wenn willkürlich gegen diese Regeln verstoßen und/oder ein besonders schwerwiegender Verfahrensfehler vorlag.  Jedenfalls setzt die Unverwertbarkeit immer einen Widerspruch gegen die Verwertung in der Hauptverhandlung voraus (BVerfG-NJW 2007, 1345; OLG-Hamburg-NJW 2008, 2597; LG Itzehoe-NJW 2008, 2601).