Archiv für den Monat: November 2009

Präsident des AG: bei Blutprobe stets Gefahr im Verzuge

Es führt zu einem Verwertungsverbote der Blutprobe, wenn der diese anordnende Polizeibeamte sie aufgrund einer ihm von einem Richter erteilten generellen Befugnis veranlaßt (OLG Oldenburg-NJW 2009, 3591). Im entswchiedenen Fall hatte ein Amtsgerichtspräsident in einem Telefonat am 2.4.08 mit dem Polizeipräsidenten „eindringlich“ darauf hingewiesen, daß bei Blutproben stets, egal ob bei Tage oder in der Nacht, die Eilkompetenz der Polizei bestehe. Daran hielt sich die Polizei, woraufhin das OLG ein auf eine derartig zustande gekommene Blutprobe gestütztes Urteil aufhob und den Angeklagten freisprach.
(siehe auch meinen Beitrag vom 20.11.09)

MPU auch bei Gewalt ohne Bezug zum Straßenverkehr

Gegen Führerscheininhaber kann gem. § 11 III Nr. 4 FeV zur Klärung von Eignungszweifeln eine MPU angeordnet werden,

– wenn erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen wurde,
– bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder der Kraftfahreignung
– bei Anhaltspunkten für ein hohes Agressionspotential.

Daher wird jetzt von der Politik gefordert (der niedersächsische Innenminister Schünemann laut FAZ vom 24.11.09), die Fahrerlaubnisbehörden müßten nicht nur bei Verkehrsstraftaten und vom Kraftfahrtbundesamt mit Informationen gefüttert werden, sondern sollten auch sonstige Informationen von Behörden erhalten, um bei Anhaltspunkten für hohes Agressionspotential eine MPU anordnen zu können.

Alkoholberechnung

Je nach Trinkgeschwindigkeit und Mageninhalt dauert es zwischen 20 Minuten und 2 Stunden, bis der Alkohol im Blut „angekommen“ ist (Resorptionsphase). 10-15%, in Extremfällen bis zu 30% werden nicht aufgenommen sondern ausgeschieden (Resorptionsdefizit). Schon während der Alkoholaufnahme beginnt auch der Abbau, der zwischen 0,1 und 0,2 Promille, in Extremfällen bei 0,24 Promille liegt.
Der Blutalkoholwert wird berechnet aus:

Alkohol in Gramm / (Körpergewicht x Reduktionsfaktor)

Der Reduktionsfaktor beträgt beim Mann 0,75 und bei der Frau 0,6. Multipliziert man die auf der Flasche angegebenen Volumen% mit 8, bei Bier z.B. 5 Vol%, erhält man den Alkohol in Gramm/Liter, im Beispiel also 40 Gramm. Trinkt ein 80 Kilo-Mann also 1 Liter Bier, wird er max. 0,6 Promille erreichen.

Nachweiszeiten Btm

                Wirkungsdauer               Nachweis im Blut                 Nachweis im Urin

Cannabis    2-4 h                           bis zu 12 h,                          einmalig: 7-10 d
                                                       Abbauprodukte 2-3 d          häufig: 8 w
                                                       bei regelm. Konsum 3 w

Speed         2-4 h                                   6 h                                       1-4 d

XTC            3-5 h                               max. 24 h                                 1-4 d

Kokain        1-2 h                              mehrere h,                                 mehrere h,
                                                          Benzoylekgonin mehrere d        Benzoylekgonin
                                                                                                            max. 3 d,
                                                                                                            bei häufigem Konsum
                                                                                                            15-22 d

Heroin         3-6 h                              max. 8 h                                    2-7 d

Chrystal       4-12 h                            mehrer h                                    1 d-1 w

Außerdem: Nachweis in sämtlichen Körperhaaren, je nach Länge über mehrer Jahre

Polizei hat Richtervorbehalt bei Blutprobe zu kennen

Bekanntlich hat das BVerfG (NJW 2008, 3053) auf die weithin rechtswidrige Praxis aufmerkam gemacht, wonach es dem Gesetze nach (§ 81a StPO) originäre Aufgabe des Richters ist, körperliche Untersuchungen und Blutproben des Beschuldigten anzuordnen. Nur bei Gefahr im Verzuge soll dies auch der Staatsanwaltschaft und der Polizei gestattet sein. In der Praxis ist dies bis zu dieser Entscheidung immer contra legem von der Polizei angeordnet worden. Ein Verstoß begründet nach der Entscheidung des BVerfG aber nur dann ein Beweisverwertungsverbot, wenn Gefahr im Verzug willkürlich angenommen wurde und bewußt die Verwirklichung des Richtervorbehalt  vereitelt worden ist.  Das war regelmäßig nicht der Fall.
Nun aber hat das KG Berlin entschieden, „daß mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur zitierten Entscheidung des BVerfG die Annahme, die anordnenden Polizeibeamten hätten in schlichter Unkenntnis ihrer Pflichten und daher nicht willkürlich gehandelt, nicht mehr ohne weiteres wird aufrechtzuerhalten sein wird“ (KG-NJW, 2009, 3527; NZV 2009, 571).

2 Jahre, 10 Monate, zwei Wochen Gefängnis für 5x Fahren ohne Fahrerlaubnis

In meinem Beitrag vom 17.12.2008 konnte ich noch über „Bewährung in Meiningen“ berichten, die einem damals fünffach einschlägig Vorbestraften trotz in laufender Bewährung begangener zweier Fällen von Fahrens ohne Fahrerlaubnis bewilligt worden war. Keine drei Wochen nach der Verhandlung wurde er wieder erwischt und dann noch einmal Ende Januar. Im Juni verurteilte ihn das Amtsgericht Eisenach zu 1 Jahr und 5 Monaten, natürlich „ohne“. Heute die Berufungsverhandlung bei dem Vorsitzenden der Berufungskammer, der vor 11 Monaten gnädig gewesen war und dem Angeklagten einen Vertrauensvorschuß gewährt hatte. Die Kammer ermäßigte die Strafe auf 1 Jahr, 1 Monat und zwei Wochen. Diese addieren sich nun mit den zum Widerruf anstehenden Bewährungsstrafen auf beachtliche 2 Jahre, 10 Monate und 2 Wochen Knast für insgesamt fünf Fälle von Fahren ohne Fahrerlaubnis.
Kommt in solchen Fällen erschreckend oft vor, daß sich zunächst einiges anhäuft und dann auf einen Schlag mehrere Strafen zur Vollstreckung anstehen. Die Knäste sind voll von solchen Leuten. Baden-Württemberg hat sogar einen eigenen Straßenverkehrsstraftäterknast. Fahren ohne Fahrerlaubnis sollte nach meiner Auffassung entkriminalisiert und zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden. Man kann den Strafzweck auch ohne Strafe im engeren Sinn erreichen, wie man an den Btm- und Alkoholfällen unterhalb der Schwelle der Fahruntüchtigkeit sieht.

Das Zeugenkomplott

Nein, Pfälzer waren sie nicht, die Zeugen, schon gar keine Vorderpfälzer (siehe meinen Beitrag vom 10.11.09). Ihre Geburtsorte lesen sich wie eine Karte Mitteldeutschlands: Görlitz, Magdeburg, Halberstadt und Jena. Aber „mit dem freundlichsten Gesicht jemanden in die Pfanne hauen“ konnten sie auch.
Angeklagt war ein Kriminalbeamter. Der war mal auf der Autobahn hinter den Zeugen in einer 120er-Zone hergefahren.  Die fuhren 110 und links und blieben da über viele Kilometer, auch wenn man hätte nach rechts fahren können. Sowas kann ja immerhin eine Nötigung sein.
Nach dem Ende der 120er-Zone schaukelte man nach rechts. Weiterlesen

Einsicht und Reue kann vom die Tat bestreitenden Angeklagten nicht verlangt werden

Der BGH hat am 7.10.09 ein Urteil der Jugendkammer des Landgerichts Erfurt, mit dem der Angeklagte wegen Vergewaltigung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt worden war, im Strafausspruch augehoben (2 StR 283/09):

„Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Die Jugendkammer hat strafschärfend berücksichtigt, dass „sich der Angeklagte auch im Laufe der Hauptverhandlung, also selbst zwei Jahre nach der Tat, vollkommen uneinsichtig gezeigt“ habe und dass er „ohne erkennbare Emotionen … wiederholt jegliche Verantwortung für den Tod der M. , der ihm gleichgültig zu sein schien“, abgelehnt habe. Dies sind keine zulässigen Erwägungen zu Lasten des Angeklagten, der jegliche strafrechtlich relevante Handlung zum Nachteil des Tatopfers bestritten hat. Auch dem jugendlichen Angeklagten steht das Recht zu, sich effektiv gegen den Schuldvorwurf zu verteidigen, ohne befürchten zu müssen, dass ihm daraus Nachteile erwachsen (BGH StraFo 2003, 206, 207; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 – 5 StR 468/97).“

 

 

5,25 qm-Zelle Verstoß gegen die Menschenwürde

Jedenfalls die längere Unterbringung (im entschiedenen Fall drei Monate) eines Strafgefangenen in einer Einzelzelle von 5,25 qm Grundfläche und räumlich nicht abgetrenntem Klo mit Einschlusszeiten zwischen 15 und 21 Stunden, wie sie anscheinend in Berlin vorkommt ist als Verstoß gegen die Menschenwürde verfassungswidrig. Dies hat der BerlVerfGH am 3.11.09 entschieden (184/07).

Wie ein Strafrichter die (Vorder-)Pfälzer sieht (NJW 1997, 1995)

Wieder einmal gelesen: Urteil des LG Mannheim vom 23.01.1997:
„Dies sind jedoch nicht die einzigen Bedenken, die man gegen den Zeugen V haben muß. Er gab sich zwar betont zurückhaltend, schien bei jeder Frage sorgfältig seine Antwort zu überlegen und vermied es geradezu betont, Belastungstendenzen gegen den Angekl. hervortreten zu lassen, indem er in nebensächlichen Einzelheiten Konzilianz ja geradezu Elestizität demonstrierte, im entscheidenden Punkt der – für ihn vorteilhaften – angeblichen mündlichen Genehmigung des beantragten Urlaubs aber stur blieb wie ein Panzer. Weiterlesen