Schlagwort-Archive: Amtsgericht Bensheim

Du nix brauche Dolmetscher, du gehe Knast!

Die vorangehende Strafverhandlung hatte Verspätung, weswegen man hinten Platz nahm und Öffentlichkeit war. Der dortige Angeklagte war von Aussehen, Haartracht und Kleidung Jamaikaner. Er sprach Englisch mit ein paar eingestreuten Wörtern deutsch. Wenn er etwas nicht verstand, wandte er sich hilfesuchend an den neben dem Richter sitzenden Referendar, der augenscheinlich in die englische Sprache übertrug. Augenscheinlich deswegen, weil man hinten nichts von dem verstand. StA beantragte vollstreckbare Freiheitsstrafe, Verteidiger (ja, den gab es!) Freispruch. Schlussworte des Angeklagten in Englisch. Urteil: 9 Monate „ohne“. In Bensheim am 17.04.2012.

Die Karikatur des Zeugenbeistands

Anwälte machen in dieser Rolle auffallend oft keine gute Figur. Der Antrag auf entsprechende Beiordnung ist schnell gestellt und im vorliegenden Fall auch vom Amtsgericht Bensheim positiv beschieden worden. Der Zeuge hatte schon im Ermittlungsverfahren Aussagen gemacht, die denen der Zeugin, die er „die Geschädigte“ nannte, deutlich zuwider liefen. Sie war die Kassiererin, die er zusammmen  mit einem Dritten, maskiert und bewaffner, überfallen hatte. Weiterlesen

Pflichtverteidigerbestellung revisited

Thielmann fordert in NJW 2011, 1927 mehr Transparenz bei der Beiordnungspraxis im Strafverfahren.
Recht hat er!
Wie läuft’s z.B. beim Amtsgericht Bensheim?
Entsprechend der alten Fassung des § 142 StPO wird der Angeschuldigte aufgefordert, einen ihm beizuordnenden Verteidiger zu benennen, der aus dem hiesigen Gerichtsbezirk stammen soll. Meldet sich der Angeschuldigte nicht, bestellt die/der Vorsitzende einen Pflichtverteidiger indes nicht aus dem Bezirk des Amtsgerichts Bensheim, sondern aus den Bezirken Mannheim, Groß-Gerau oder Darmstadt-Dieburg, obwohl es keinen Mangel gibt an zur Pflichtverteidigung bereiten Rechtsanwälten im Bezirk Bensheim.

Verurteilungsomat: Recht ist so easy!

Am vergangenen Freitag hatte das Amtsgericht Bensheim einen 23jährigen wegen Körperverletzung zu einer unbedingten 11monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen einer drei Jahre zurückliegenden einschlägigen Vorverurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe sei die Sozialprognose ungünstig.
Wenn man es so machen will, kann man auf Richter verzichten. Dann genügt ein Verurteilungsautomat.
§ 56 I StGB fragt nach der Prognose, ob die Verurteilung bereits zur Vermeidung zukünftiger Straftaten ausreicht. Dabei sind die Persönlichkeit, sein Vorleben und Lebensverhältnisse, die Umstände der Tat und das Nachtatverhalten und die zu erwartende Wirkung der Aussetzung zu berücksichtigen. Nichts davon ist in die Entscheidung im Strafausspruch eingeflossen. Denn das Gericht hat dazu nichts vom Angeklagten wissen wollen. Nicht dass es bei der vorgeworfenen Tat um ein Mädchen ging, nicht dass der Angeklagte in den letzten fünf Jahre seit der letzen Tat keine Straftaten begangen hatte, dass er in fester Beziehung lebt und Heiratspläne bestehen, dass er seit fünf Jahren und dem Ende der Schule ununterbrochen in dem selben Betrieb arbeitet.
Der Veruteilungsomat hat gesprochen. 1+1=2. Bewährungsbrecher bekommen keine Bewährung. So trivial ist das. Recht kann so herrlich einfach sein.

Wo ist der „tiefere Sinn“ eines Beiordnungsantrages im Falle notwendiger Verteidigung?

Vorgänge wie der folgende sind es, weswegen sich das Mitleid über die Überlastung der Richter in Grenzen hält. Überlastung ist halt eben dort am größten, wo zu wenig gearbeitet und die eigene und die Arbeitszeit der Schreibdienste veruntreut wird für allerlei Unproduke und Schikanen: 

August: Anklage wird zugestellt mit der Aufforderung, einen beizuordnenden Verteidiger zu benennen, weil ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.
September: Verteidiger meldet sich, beantragt Akteneinsicht und Beiordnung als Pflichtverteidiger.
Oktober: Akteneinsicht wird gewährt, Beiordnung als Pflichtverteidiger unterbleibt.
Verteidiger schickt an das Gericht eine Kopie seines Beiordnungsantrags mit dem handschriftlichen Zusatz „Erinnerung“.
November: Der Vorsitzende des Schöffengerichts Bensheim schickt dem Verteidiger eine Kopie hiervon mit dem folgenden Begleitschreiben: „Sicher weiß die Verteidigung den tieferen Sinn der Anlage zu klären.“ Sonst nichts.
Verteidiger schickt das Schreiben zurück mit dem handschriftlich aufgebrachten Text: „Urschriftlich zurück mit dem Hinweis, daß der Beiordnungsantrag entgegen §§ 141 I, 201 StPO noch nicht beschieden ist.“

Bin gespannt, ob die Reaktion eine andere als die alsbaldige Beiordnung sein wird.

Richter zu Anwälten: „Das haben sie ihrem Kollegen zu verdanken!“

Daß Richter für ihre Arbeit oft kein „Feedback“ bekommen, weder Lob noch Tadel, hat etwas mit ihrer abgehobenen Stellung in diesem „königlichen Amt“ zu tun. Immerhin brauchen sie auch nicht für Fehlentscheidungen persönlich einzustehen. Dies sollte aber nicht dazu verführen, für Fehler immer andere verantwortlich zu machen, gerne nimmt man Anwälte hierfür.
Vor einem Zivilrichter in Bensheim fand gestern Verhandlung statt. Zur Sachaufklärung waren die drei Parteien persönlich geladen und erschienen. Zeugen gab es auch, die waren aber nicht geladen. Statt dessen hatte der Richter zuvor angefragt, ob die bereits „beigezogene Ermittlungsakte zu Beweiszwecken verwertet werden“ könne. Er erhielt zur Antwort: „Gegen eine Verwertung der beigezogenen Akte im Rahmen des § 415 ZPO bestehen keine Bedenken.“ Dies war vor drei Monaten.
Im gestrigen Termin fragte er nun nach. Die Erklärung sei unklar, meinte er. Solle denn damit erklärt werden, daß auf der unmittelbaren Zeugeneinvernahme bestanden werde?! Na das hätte man ja vorher auch sagen können, man handele nicht gerade prozeßökonomisch (sic!).
Wie sonst hätte die Erklärung verstanden werden sollen? Wenn Prozeßökonomie dem Richter wichtig ist, hätte er, unklare Erklärung unterstellt, nachfragen können, es waren noch drei Monate Zeit bis zum Termin. Stattdessen bekam der Anwalt zu hören, dies sei doch wohl nicht sein erster Zivilprozeß (sic!). Der Termin wäre jetzt natürlich sinnlos (weshalb die zur Sachaufklärung erschienenen Parteien unverrichtet heim geschickt wurden, ist das Geheimnis des Richters), neuer Termin ergehe von Amts wegen. Hämisch am Schluss zu den beiden anderen Anwälten: „Das haben sie jetzt ihrem Kollegen zu verdanken!“
Was der Anwalt dazu zu sagen hatte, interessierte den Richter nicht. Er hatte seinen Ballast abgeworfen und entschwand.

Die terminliche Verhinderung des Verteidigers

Beantragt man beim Vorsitzenden des Schöffengerichts Bensheim Verlegung eines Hauptverhandlungstermins, der in den Sommerferien liegt und natürlich – wie immer – nicht mit dem Verteidiger abgesprochen war, weil man sich im Auslandsurlaub befindet, erhält man zur Antwort: „Verlegungsanträge können in der Regel dadurch vermieden werden, wenn die Verteidigung nicht aus den Augen verliert, dass sie Mitglied der Rechtspflege ist“ (sic!) und wird wie folgt aufgefordert, eine Buchungsbestätigung eines Reisebüros o.ä. vorzulegen: „Da die Verteidigung im hier anhängigen Verfahren bereits in anderen Fällen* durch unbegründete Verlegungsanträge aufgefallen ist (sic!), kommt eine erneute Verlegung lediglich dann in Betracht, wenn die behauptete Verhinderung durch Vorlage einer Buchungsbestätigung glaubhaft … dargetan wird.“ Hat man die Buchungsbestätigung noch gar nicht, weil man zwar weiß, daß und wo man Urlaub machen wird, aber hat halt noch nicht gebucht, legt man, alleine um sinnlose Nebenkriegsschauplätze zu vermeiden, die Bestätigung dann nachträglich vor, nachdem man gebucht hat.
Darauf erhält man zur Antwort, dies bestätige nur den Verdacht, daß zum Zeitpunkt der Terminsanberaumung noch nichts gebucht gewesen sei. Wie könne der Verteidiger eine Reise buchen, wenn das Gericht einen Termin anberaumt habe. Man schreibt zurück und legt schon einmal vorsorglich Beschwerde gegen die zu erwartende Nichtverlegung des Termins ein. Mal sehen, wie die Beschwerdekammer, die um ihre Arbeit nicht zu beneiden ist, diesmal entscheiden wird (siehe auch meinen Beitrag „Terminsverlegungspflicht“ vom 04.11.08, „Quod licet… vom 17.02.09, Jupiter und Stier (wobei es wohl eher „Ochse“ heißen müßte) vom 27.03.09) und „Landgericht Darmstadt bescheinigt Verteidiger Recht auf Urlaub“ vom 10.06.09.

* in diesem Verfahren war ein Verlegungsantrag wegen Urlaubs gestellt und problemlos positiv beschieden worden. So unbegründet wird der Antrag dann ja nicht gewesen sein.