Archiv für den Monat: Dezember 2009

Videoüberwachungsdämmerung

In seiner Besprechung ((NZV 2009, 621) der Entscheidung des BVerfG vom 11.08.2009 (ebd. S. 618) zur Videoüberwachung erkennt Carsten Krumm in § 100 h StPO die Ermächtigungsgrundlage hierfür, erinnert die Verteidiger daran, daß sie der Verwertung des Bildmaterials (spätestens) in der Hauptverhandlung widersprechen müssen, wenn sie deren Unverwertbarkeit erreichen wollen, weist auf die Benachrichtigungs- und Belehrungspflichten des § 101 StPO hin, die dazu führen würden, daß auf die Behörden in Zukunft „erhebliche Arbeit“ zukäme, wollten sie nicht ein Verwertungsverbot alleine aufgrund eines willkürlichen Verstoßes gegen § 101 StPO riskieren, ist sich seiner Sache am Ende allerdings wohl doch nicht so sicher, wenn er jedenfalls bei dem nicht geständigen Betroffenen auf die Einstellungsmöglichkeit nach § 47 OWiG hinweist und schließlich eine eigene Ermächtigungsgrundlage in OWiG oder StVG für Videoüberwachungen fordert. Siehe auch meine Beiträge vom 21.08. und 22.09.09.

Auch ein Argument

Der Angeklagte hatte nur Mist erzählt und seine Angaben in der Hauptverhandlung widersprachen denen in früheren Vernehmungen. In der Verhandlungspause wurde der Verteidiger gefragt, weshalb er seinen Mandanten denn so frei von der Brust weg reden lasse. Antwort: wenn der verurteilt wird, begründet er dies im Knast ansonsten damit, sein Verteidiger habe ihn ja auch nicht sprechen lassen. Unausgesprochen: … und beschädigt mir womöglich ebenda meinen Ruf und mein Geschäft.
Das erinnert mich an meinen Beitrag vom 16.12.09 über „Absprachen, Anwaltsvergütung und bunte Hemden“.

EGMR, Maßregel und Rückwirkungsverbot

Die gestrige Entscheidung des EGMR rüttelt an einem Dogma des deutschen Strafrechts: daß die Sicherungsverwahrung eine Maßregel der Besserung und Sicherung und keine Strafe sei. Daher sei das Rückwirkungsverbot, wie überhaupt bei Maßregeln (z.B. Entziehung der Fahrerlaubnis), bei der Sicherungsverwahrung nicht anwendbar. So hatte vor fünf Jahren noch das BVerfG unter dem Vorsitz von Winfried Hassemer entschieden. Deutschland kann nun die Große Kammer des EGMR anrufen. Die gestrige Entscheidung wird aber in jedem Fall das zumindest in der Theorie wohlgeordnete Verhältnis von Urteilsfolgen deutscher Strafgerichte durcheinander bringen.

Absprachen, Anwaltsvergütung und bunte Hemden

Am 25. Oktober 2008 hatte ich über das erste sogn. Kommunikationsforum für Anwälte, Richter und Staatsanwälte, das von der Rechtsanwaltskammer veranstaltet wird, berichtet. Anfang Dezember fand es nun wieder statt. Es sollte sich mit den neuen gesetzlichen Regeln zu Absprachen im Strafverfahren befasst werden. Ein Thema von großer praktischer Bedeutung und intensiver Diskussion in Fachkreisen.
Die Eingangserklärungen kamen von einer Staatsanwältin und einem Rechtsanwalt.
Welche Kriterien es waren, die zur Auswahl des letzteren geführt haben, ist nicht transparent geworden. Aufgefallen war er vor allem durch seine Vorliebe für ziemlich bunte Hemden, den konsequenten Verzicht auf „Langbinder“ oder dessen Aliud, auch vor Gericht, und eine peinliche Philippika in Gestalt eines Leserbriefs gegen einen Journalisten des Darmstädter Echo, der es gewagt hatte, so etwas wie Kritik an der Verhandlungsführung des früheren Vorsitzenden der Schwurgerichtkammer in Darmstadt zu üben. Weiterlesen

Amphetamingrenzwert beim Autofahren

Bekanntlich hat das BVerfG zu § 24a StVG (NJW 2005, 349) und Cannabisprodukten entschieden, daß eine Btm-Konzentration festgestellt werden muß, die die Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zumindest als möglich erscheinen läßt. Zu Amphetamin liegt der diesbezügliche Grenzwert einiger OLGe bei 25ng/ml. Dem folgt auch das OLG Celle (NStZ 2009, 711) und hat daher ein amtsgerichtliches Urteil aufgehoben, indes nur zurückverwiesen und nicht freigesprochen. Bei dem Betroffenen waren 15 ng/ml festgestellt worden. Der Grenzwert sei aber, entgegen der Auffassung des OLG Zweibrücken, keine objektive Bedingung der „Ahndbarkeit“. Vielmehr müsse unabhängig davon die Frage der Fahrtüchtigkeit geprüft werden, wenn der Grenzwert unterschritten sei, etwa im Hinblick auf Ausfallerscheinungen und/oder die Einlassung des Betroffenen.
Merke auch in diesem Zusammenhang:  Schweigen ist Gold!

Strafbefehl wegen Trunkenheitsfahrt führt zu Strafklageverbrauch bezüglich Drogentransport

Ein Drogenhändler hatte Btm in nicht geringer Menge im Auto transportiert, um diese in ein Versteck zu bringen. Diese Verknüpfung der Fahrt mit dem BtmG-Verstoß führte zur Verfahrenseinstellung in der Revision (er war zu einem Jahr mit Bewährung verurtelt worden), nachdem bereits zuvor wegen der bei dieser Fahrt begangenen Trunkenheitsfahrt ein Strafbefehl über 30 Tagessätze ergangen war BGH-NStZ 2009, 705).
Das gilt gem. § 84 II OWiG übrigens auch bei richterlichen Entscheidungen in Ordnungswidrigkeiten. Eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG, über die durch Urteil oder sonst i.S. d. § 84 II OWiG entschieden wurde, führt wegen der Straftat des Drogenbesitzes zum Strafklageverbrauch.

Keine §25a StVG-Kosten für den Halter bei UmweltzonenOWi

Ohne Feinstaubplakette in die Umweltzone – egal, hatte ich am 14.10.08 geschrieben (siehe dort). Das Amtsgericht Frankfurt hat nun entschieden (NJW 2009, 3737), daß dem Halter eines so abgeparten Fahrzeuges auch keine Kosten für die (vergebliche) Ermittlung des Verantwortlichen abgeknöpft werden können (§ 25a StVG), weil die Vorschriften über das Einfahren in die Umweltzone ausschließlich den fließenden Verkehr betreffen.

Opa gib den Lappen ab II

Wer ältere, motorisierte Verkehrsteilnehmer kritisiert, riskiert Verbaliniurien und Schläge mit dem Krückstock. Mindestens aber verbittet man sich Kritik mit Hinweis darauf, daß man „schon seit 57 Jahren den Führerschein…und noch nie einen Unfall…niemals keine Punkte nicht…usw., usw“.
In meinem Beitrag „Opa gib den Lappen an“ hatte ich ja schon gesagt, woran man die insoweit üblichen Verdächtigen schon von weitem erkennt, nämlich am vorzugsweise silberfarbenen Fahrzeug des Typs Golf Plus, Mercedes A-Klasse und Mercedes B-Klasse. Dann heißt es Deckung nehmen! Weiterlesen

Die Revision „auf Wunsch des Angeklagten“ ist unzulässig

Dies ergibt sich aus § 345 II StPO, wonach der Verteidiger Revisionsanträge und -begründung einzureichen und zu unterschreiben hat, soweit dies nicht vom Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle geschieht. Vom  Zusatz „auf Wunsch des Angeklagten“ hatte schon das RG (54, 282) geurteilt, er mache die Revisionsbegündung unzulässig, weil daraus zu ersehen sei, daß der Verteidiger nicht die volle Verantwortung übernehmen wolle. Nun hat das OLG Rostock (NStZ-RR 2009, 381) bereits die Einlegung der Revision mit dieser Wendung für unzulässig erklärt, wenn der hierin zum Ausdruck kommende Vorbehalt nicht in der späteren Revisionsbegründung ausgeräumt werde.

Gestern in Gera (Teil 6)

Mit Fußballprofis sollte man keine Spielchen machen. Sonst drohen Eigentore.
Der wegen Betruges Angeklagte hatte seinen ehemaligen Nachbarn am vornehmen Zürichsee, einen früheren Profifußballer, als Entlastungszeugen aufgeboten. Leider konnte er die Beweisbehauptungen nicht bestätigen. Nicht aus Unkenntnis. Aus Kenntnis bekundete er gegenteiliges. Schlimmer noch: auch er hatte dem Angeklagten („wir waren Freunde“) im Jahre 2003 beinahe 150.000 SFR geliehen. Zurück erhielt er nur 30.000 und sei im übrigen vertröstet worden. Die Geldverleihung habe er lange vor seiner Frau geheim gehalten. Als sie davon erfuhr, sei dies ein wesentlicher Grund für die spätere Trennung gewesen.
Dem Verteidiger fällt ein Wort aus der Fußballsprache ein: „Arschkarte“.