Schlagwort-Archive: Amtsgericht Darmstadt

Dem „Werkstattverweis“ auf den Grund gegangen.

Bei der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall ist der Schädiger und sein Versicherer bekanntlich berechtigt, auf günstigere Reparaturmöglichkeit in sogenannten Referenzwerkstätten zu verweisen, wenn diese Werkstätten konkret benannt werden, einigermaßen in der Nähe des Geschädigten liegen und deren niedrigere Stunden Verrechnungssätze nicht auf, dem freien Markt nicht zugänglichen, Vereinbarungen zwischen dem Versicherer des Schädigers und diesen Werkstätten beruhen.

Dies ist dem Geschädigten nur dann nicht zuzumuten, wenn sein Fahrzeug noch ziemlich neu ist, nämlich allenfalls drei Jahre alt seit der Erstzulassung oder wenn er zwar ein älteres Fahrzeug hat, dieses jedoch nachweisbar lückenlos in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat scheckheftpflegen lassen.

Allerdings muss der Schädiger und sein Versicherer im Prozess nachweisen, dass die von ihr genannte Referenzwerkstatt qualitativ auch auf dem Niveau einer markengebundenen Fachwerkstatt zu arbeiten in der Lage ist. Weiterlesen

Absehen von Fahrverbot bei Schichtarbeit und ungünstigen Verkehrsverbindungen

Das Amtsgericht Darmstadt hat in einem Regelfall von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen, weil der Schichtarbeiter um rechtzeitig um 6.oo Uhr zur Frühschicht zu kommen mit dem Zug bereits um 00.22 Uhr hätte losfahren müssen. Das Bußgeld wurde knapp verdoppelt. Selbstverständlich war ein Chauffeur unzumutbar. Das Fahrverbot konnte auch nicht in den Urlaub gelegt werden, weil der Arbeitgeber aufgrund guter Geschäftslage keinen einmonatigen Urlaub „am Stück“ gewährt (214 OWi – 8200 Js 15551/11).

Auf die Schadenshöhe kommt es an!

Mandant soll beim Rangieren einen 15 Jahre alten Seat Ibiza beschädigt haben und sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt haben. Führerschein wurde sichergestellt. Dem widersprochen mit der Begründung, Schaden könne nicht höher als der Wiederbeschaffungswert sein und der sei bei dem Auto jedenfalls unter 1300 €. Drei Angebote aus „mobile.de“ beigefügt. Davon zwei unter 1000 €, eines bei 1290 €. AG Darmstadt daraufhin: 111a-Beschluss. Begründung: Die niedrigeren Angebote seien nicht mit dem Auto der Geschädigten vergleichbar und bei dem vergleichbaren Angebot kämen noch „Entsorgungskosten“ und „merkantiler Minderwert“ hinzu. In der Beschwerde auf den erforderlichen dringenden Tatverdacht hingewiesen, der sich auch auf die Schadenshöhe beziehen muß. Ausgeführt, dass es dem Gericht nicht zusteht, Schadenspositionen hinzuzuphantasieren. Denn Entsorgungskosten fallen nicht an, wenn, wie hier, die Geschädigte mit ihrem Fahrzeug einfach weiterfährt. Ggf. wäre auch noch ein Restwert zu berücksichtigen. Und dass bei einer derart alten Rübe eine Wertminderung nicht in Betracht kommt, egal wie hoch der Reparaturschaden ist, und von Rechts wegen ohnehin Reparaturwürdigkeit voraussetzt, hätte man als allgemeinkundig voraussetzten dürfen.

Rentner kann Bußgeld nicht zahlen – 20 Tage Gefängnis

Gegen den Betroffenen wurde aus einem Bußgeldbescheid (1000 € wegen wiederholter Trunkenheitsfahrt) vollstreckt. Die Staatsanwaltschaft drohte Erzwingungshaft an. Der Betroffene legte einen Rentenbescheid (< 1000 €/mtl.) vor und teilte mit, er müsse sein Haus abbezahlen (> 700 €) und habe i.ü. die „E.V.“ abgegeben.
Das Amtsgericht Darmstadt ordnete daraufhin 20 Tage Erzwingungshaft an.
Die Angaben zum Einkommen seien unglaubhaft, von 250 € könne man nicht leben (die Notwendigkeit danach zu fragen, wie man mit 250 € leben kann, wurde nicht erkannt). Der Betroffene könne eine Weile die Tilgung des Hausdarlehens aussetzen. Eine Rate von mtl. 100 € sei ihm sicher möglich.
Die sofortige Beschwerde führte aus, daß er von seiner Freundin, mit der er zusammen lebt, und seiner Mutter, die im Nachbarhaus wohnt, in Naturalien unterhalten wird und daß es nicht darauf ankomme, was faktisch möglich sondern was rechtlich nötig ist. Über das Rechtsmittel ist noch nicht entschieden.

Nachtrag vom 08.10.10: Die Beschwerdekammer des Landgerichts Darmstadt hat den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt, mit dem Erzwingungshaft angeordnet worden war, mit Beschluss vom 01.10.10 aufgehoben.