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AG Groß-Gerau: Abstandsmessung mit VKS unzulässig!

Ich hatte bereits am 21.08., 22.09.09 und am 13.04.10 über die Frage der Zulässigkeit von Videobrückenabstandsmessverfahren (Vibram) berichtet. Das Amtsgericht Groß-Gerau hat heute einen Betroffenen freigesprochen, bei dem mit dem System VKS gemessen und eine Abstandsunterschreitung festgestellt worden war, die zu einem Bußgeld von 240 € und einem einmonatigen Fahrverbot geführt hätte. Das Gericht konnte weder eine gesetzliche Eingriffsermächtigung erblicken, weswegen es von einem Beweiserhebungsverbot ausging, noch seien die so gewonnen Daten gegen den Betroffenen gerichtsverwertbar. Kopfschütteln rief die in der Sitzung vertretene Staatsanwaltschaft hervor, die als Eingriffsgrundlage in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht etwa den üblichen § 100h StPO sondern „das HSOG (Hessisches Gesetz über die Sicherheit und Ordnung) und die hierauf ergangenen Verordnungen“ anführte, freilich ohne konkreter zu werden.
Der Bußgeldrichter sprach von dem Unterschied zwischen Gefahrenabwehr einerseits und Strafverfolgung und der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten andererseits, der eigentlich bekannt sein sollte und von „Grundkurs“.

Die Staatsanwaltschaft wird gegen das Urteil Rechtsbeschwerde einlegen.

Automatisierte Videoüberwachung und Abstands- bzw. Geschwindigkeitsverstöße

Ich hatte am 21.08.09 bereits über die Entscheidung des BVerfG vom 11.08.09 (2 BvR 941/08) berichtet. Die Entscheidung wird nun intensiv besprochen und interpretiert (z.B. NJW-Spezial 2009, 603). Das Amtsgericht Groß-Gerau vertritt hier in einem richterlichen Hinweis vom 18.09.09 eine sehr weitgehende Auffassung und regt in einem dort anhängigen Bußgeldverfahren wegen einem Abstandsvergehen die Einstellung bei voller Kostenlast zu Lasten der Staatskasse an. Es heißt dort: „Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, für den eine gesetzliche Grundlage fehlt. Dies führt zu einem Beweiserhebungsverbot, woraus in der Regel ein Beweisverwertungsverbot folgt.“
Konsequenz: Derzeit sollte gegen alle Bußgeldbescheide bei Abstands- und Geschwindigkeitsverstößen, die aufgrund von automatisierten Videoüberwachungen ergehen, Einspruch eingelegt werden.