Der Angeschuldigte hatte eine vorfahrtsberechtigt Radfahrerin über den Haufen gefahren. Sie war verletzt, wenn auch nicht allzu stark. Danach fuhr der Angeschuldigte weiter. Mühsam, aber doch irgendwie kam man ihm „auf die Schliche“. Er ist dreifach einschlägig wegen Verkehrsdelikten in den letzten Jahren vorbestraft, davon zwei Mal wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Registerauszug ist Aktenbestandteil.
Was also macht die StA Darmstadt in einem solchen Fall? Sie schlägt gnadenlos zu! Die Fahrerflucht nach § 154a StPO im Hinblick auf die fahrlässige Körperverletzung eingestellt und derentwegen einen Strafbefehl (20 Tagessätze ‚a 30 €) beantragt. Kein Fahrverbot und schon gar keine Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Amtsgericht Bensheim hat den Strafbefehl am 21.11.11 auch so erlassen.
Demgegenüber heute Verhandlung gehabt wegen folgenloser Trunkenheitsfahrt (0,68 Promille); Ersttäter; Ausfallerscheinungen: Schlangenlinie (Angeklagter legt Einzelverbindungsnachweis seines Handys für die Fahrtzeit vor, wonach er während der Fahrt telefoniert hatte. Das Handy hatte er, weil es geklingelt hatte, etwas mühsam aus einer Jackentasche herausfummeln müssen. Deshalb Schlangenlinien. Nach vorläufigem Entzug der Fahrerlaubnis sich einer Verkehrstherapie (IVT-Hö) unterzogen. Daher sowohl Fahruntüchtigkeit als auch Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen fraglich. Ergebnis: Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt und Entziehung der Fahrerlaubnis.
Es ist zum Haare raufen.
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Bei hoher BAK: Abstinenz und Verkehrstherapie
Himmelreich/Halm weisen eine Vielzahl von in der Zeit zwischen dem 1.4.09 und dem 31.3.10 ergangenen Entscheidungen nach (NStZ 2010, 492), in denen auch bei Blutalkoholkonzentrationen jenseits von 2 Promille bei nachgewiesener Abstinenz und der Teilnahme an einer IVT-Hö–Verkehrstherapie von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen und teilweise der Führerschein im Termin wieder ausgehändigt oder allenfalls ein (deklaratorisches) Fahrverbot verhängt worden ist.
Verkehrstherapie statt „MPU“
Das Landgericht Düsseldorf (DAR 2008, 597) hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf bestätigt, das in der Hauptverhandlung einem wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 2,12 Promille Angeklagten den Führerschein bereits 5 1/2 Monate nach der Tat wieder aushändigte, nachdem sich dieser einer sogn. IVT-Hö-Verkehrstherapie unterzogen hatte und Abstinenz für diesen Zeitraum glaubhaft machen konnte. Die Fahrerlaubnisbehörde ist an die Entscheidung des Strafgerichts gebunden und darf keine MPU anordnen.
Sperrfristverkürzung bei Fahrerlaubnisentzug
Um die Fahrerlaubnis zu entziehen, muß beim Täter eine „Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen“ zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Diese kann z.B. bei einer Trunkenheitsfahrt zwar vorgelegen haben, aber nachträglich entfallen sein, weil freiwillig in nennenswertem Umfang an einer Verkehrstherapie eines Verkehrspsychologen teilgenommen worden ist, führt aber jedenfalls zu einer Verürzung der Sperrfrist (hier: 8 statt 12 Monate) (AG Lüdinghausen-NJW 2008, 3080).