Amtsgericht Worms vollstreckt sehenden Auges unbegründeten Sicherungshaftbefehl

Zwei Mal war er vom Amtsgericht Worms zu Freiheitsstrafen wegen Unterhaltspflichtverletzung verurteilt worden. Die Vollstreckung war jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden, u.a. mit der Weisung Unterhalt zu zahlen. In der zweiten Verurteilung wurde ein Bewährungshelfer bestellt und die Bewährungsaufsicht auf das Wohnsitzgericht übertragen. In der älteren Sache unterblieb dies versehentlich.
Die Bewährung wegen der zweiten Verurteilung lief gut. Er hatte guten und regen Kontakt zum Bewährungshelfer und diesem auch mitgeteilt, daß er seinen Wohnort gewechselt hatte. In der älteren Verurteilung beschwerte sich die Kindmutter über wenige Tage zu spät erbrachte Unterhaltszahlungen beim Amtsgericht Worms. Nachdem das Kind 18 war und nur  bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Unterhalt tituliert war, stellte er die Zahlungen ein. Die Kindsmutter lief Amok, schickte zahlreiche Briefe an das Amtsgericht Worms und erstattete Strafanzeige wegen Unterhaltspflichtverletzung. Das Verfahren wurde alsbald gemäß § 170 II StPO eingestellt. Das Amtsgericht Worms nahm die Schreiben allerdings zum Anlaß, den Widerruf der Bewährung anzudrohen. Das Schreiben kam nicht an, weil er ja inzwischen verzogen war, was er dem Bewährungshelfer ja auch bekannt gegeben hatte. Das Amtsgericht Worms erließ darauf Sicherungshaftbefehl. Anfang Januar wurde er in Berlin, dem neuen Wohnsitz, verhaftet. Zwei Wochen später, nach einer Verschubungsaktion über nahezu  sämtliche auf dem Weg liegende Knäste und -mangels Geographiekenntnissen der den Schub organisierenden JVA Moabit- einem Umweg über die JVA Hannover mit dem Ziel JVA Koblenz (liegt ja auch am Rhein), Anhörung vor dem Amtsgericht Worms am 21.01.2011.
Sicherungshaftbefehl wurde aufgehoben.
Ein Haftbefehl gem. § 453c StPO ist nur zulässig bei Flucht, Fluchtgefahr oder der Gefahr von erheblichen Straftaten. Vorliegend kam nur Flucht oder zumindest Fluchtgefahr in Betracht, weil das Gericht den Verurteilten nicht erreichen konnte. Bereits am 10.01.2011 hatte der über einen Bekannten des Verurteilten informierte Bewährungshelfer die Richterin in Worms darüber informiert, daß er seit über einem Jahr lückenlos Kontakt halte und ihm, dem Bewährungshelfer, auch die neue Adresse in Berlin bekannt sei. An demselben Tage schickte er einen 10seitigen Bwährungshelferbericht mit Anlagen an das Amtsgericht, der dort am 13.01.2011 einging. Spätestens da war der Richterin in Worms bekannt, daß der Verurteilte nicht auf Flucht ist, ihr sein Wohnsitz vielmehr nur deswegen nicht bekannt war, weil sie versäumt hatte, die Aufsicht über die erste Verurteilung ebenfalls an das Wohnsitzgericht abzugeben. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich gerade in der JVA Hannover. Kassel, Frankfurt und Rohrbach sollten folgen. Weitere acht Tage der Freiheit beraubt. Ohne Besuch, ohne Post, ohne Kontakt zur Aussenwelt. Ohne die Möglichkeit des Einkaufs, denn sein Bargeld hatte man ihm schon in Moabit abgenommen und der Habe zugeführt.

Dass der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers, begründet mit § 140 I Nr. 4 StPO und unter Berufung auf die nach Burhoff zitierte Entscheidung des AG Ascherslebenvom 19.04.2010 mit der Begründung, hieran sei man „in keiner Weise gebunden“ und § 140 II StPO läge nicht vor, abgelehnt wurde, passte in das Bild.

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