Dem „Werkstattverweis“ auf den Grund gegangen.

Bei der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall ist der Schädiger und sein Versicherer bekanntlich berechtigt, auf günstigere Reparaturmöglichkeit in sogenannten Referenzwerkstätten zu verweisen, wenn diese Werkstätten konkret benannt werden, einigermaßen in der Nähe des Geschädigten liegen und deren niedrigere Stunden Verrechnungssätze nicht auf, dem freien Markt nicht zugänglichen, Vereinbarungen zwischen dem Versicherer des Schädigers und diesen Werkstätten beruhen.

Dies ist dem Geschädigten nur dann nicht zuzumuten, wenn sein Fahrzeug noch ziemlich neu ist, nämlich allenfalls drei Jahre alt seit der Erstzulassung oder wenn er zwar ein älteres Fahrzeug hat, dieses jedoch nachweisbar lückenlos in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat scheckheftpflegen lassen.

Allerdings muss der Schädiger und sein Versicherer im Prozess nachweisen, dass die von ihr genannte Referenzwerkstatt qualitativ auch auf dem Niveau einer markengebundenen Fachwerkstatt zu arbeiten in der Lage ist.

Die HUK Coburg als Versicherer des Verursacherfahrzeuges verwies im vorliegenden Fall, der beim Amtsgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen 302 C 179/15 anhängig ist, den Geschädigten Eigner eines Renault auf zwei freie Werkstätten in der Nähe von Darmstadt namens „Hoell“ und „Schimke“. Auf Antrag der beweisbelasteten HUK Coburg wurde ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob die Reparaturqualität dieser Werkstätten der einer Renault-Werkstatt entspricht. Hierzu heißt es in dem Gutachten wie folgt:

„Der Geschäftsführer der Firma Hoell bat darum, in seinem Hause kein Audit abzuhalten, so dass sich der Sachverständige nicht selbst von den Abläufen in der Werkstatt ein Bild machen konnte. Ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem gibt es dort nicht. Es konnte lediglich eine Bestätigung des ZKF über eine Zertifizierung als Euro Garant-Betrieb vorgelegt werden. Es kann deswegen an dieser Stelle nicht bestätigt werden, ob und in welchem Maße in dem vorgeschlagenen Reparaturbetrieb die Arbeitsanweisungen des Fahrzeugherstellers berücksichtigt werden und ob diese überhaupt verfügbar sind. Weiterhin kann nicht bestätigt werden, dass ausschließlich mit Original-Ersatzteilen repariert wird. Mit welcher Regelmäßigkeit die Abläufe im Betrieb überprüft werden, ist dem vorgelegten Schreiben nicht zu entnehmen. Mit einem regelmäßigen Wiederholungsaudit eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems ist dieses mit Sicherheit nicht vergleichbar.
Die Firma Schimke hat ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, so dass sie als Referenzbetrieb nicht mehr infrage kommt.“

In der Praxis wird der Frage, ob es sich bei der von der Versicherungswirtschaft inzwischen unisono benannten Riege der Referenzwerkstätten um solche handelt, die diesen Namen verdienen, viel zu selten nachgegangen. Auf diese Weise spart die Versicherungswirtschaft auf Kosten der Geschädigten Unsummen bei der Erstattung von fiktiven Reparaturkosten. Ihr wäre dies im vorliegenden Fall sicher auch gelungen, weil es im Einzelfall stets nur um einige wenige 100 € geht, wenn überhaupt. Da allerdings auch die Haftung dem Grunde nach umstritten war (und im Sachverständigengutachten ebenfalls uneingeschränkt bestätigt worden ist) wurde auch über die nämliche Frage Beweis erhoben.

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