Befangene Schöffin bringt „Kinderporno-Prozeß“ in Darmstadt zum platzen

Es gab Schöffengerichts- und Strafkammervorsitzende, die bei Beratungen mit Verteidiger und Staatsanwalt außerhalb der Hauptverhandlung darauf Wert legten, daß dies ohne die Schöffen geschehe. Dies aus Sorge vor einem sich artikulierenden gesunden Volksempfinden oder mindestens losem Mundwerk. Der hohe Wert eines unvoreingenommenen Richters wird in der Bevölkerung oft nicht hoch genug geschätzt. Lieber ist einem ein Richter, der richtig draufhaut. Zumindest entsteht der Eindruck angesichts der Prozeßberichterstattung des Zentralorgans der Ordinary People, der Bild-Zeitung. Deren Berichterstattung über den Kinderpornotauschring-Prozeß in Darmstadt (mit Fotos nicht unkenntlich gemachter Angeklagter) sprach im Beratungszimmer ein Verteidiger an. Laut FAZ von heute hat die Schöffin dazu geäussert: „Wo sind wir denn hier? In einem Pädophilen-Prozeß. Die haben Straftaten begangen.“
Das war zumindest ein wenig voreilig. Immerhin hatte der Prozeß eben erst begonnen und keineswegs hatten alle Angeklagten bereits ein Geständnis abgelegt. Ein Angeklagter lehnte sie daher erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Wann der Prozeß von neuem beginnt, ist noch offen. Auf die Einhaltung der Ladungsfristen wurde nicht verzichtet, so daß der Vorsitzende mit seinem Anliegen, gleich nächste Woche von neuem zu beginnen, nicht durchdringen konnte.

6 Gedanken zu „Befangene Schöffin bringt „Kinderporno-Prozeß“ in Darmstadt zum platzen

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  2. Martin Overath

    Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung sind jetzt in § 212 StPO geregelt. Schöffen sind da keine Verfahrensbeteiligte. Wenn der VRiLG Jens Aßling Frau Jutta Johanna H. aufgefordet hatte, an diesen Erörterungen teilzunehmen, dann kann ihr wenigstens kein Ordnungsgeld und/oder Kosten des Verfahrens wegen einer Obliegenheitsverletzung gemäß § 56 Abs. 1 GVG auferlegt werden. – Der laxe Umgangston bei solchen Erörterungen kann eine unerfahrene Teilnehmerin schon mit ihrem Vor-Urteil auf juristisches Glatteis führen.

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  3. flauaus Beitragsautor

    Martin Overath hat m.E. nicht recht. § 212 regelt Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung i.S. von §§ 30 I, 77 I GVG, an denen die Schöffen nicht mitwirken. Gemeint ist das, was während laufender Hauptverhandlung außerhalb von Sitzungen, also an sitzungsfreien Tagen zu erörtern ist, an denen die Schöffen nicht verfügbar sind. Sonst gilt, wie hier, §§ 257b und c, und die Schöffen sind dabei!

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    1. Martin Overath

      Herr Professor Meyer-Goßner hat mir bestätigt, dass Schöffen an Erörterungen nach § 212 StPO außerhalb der HV nicht teilnehmen dürfen.

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  4. Martin Overath

    Auch in der Mittagspause der HV sind Schöffen oft nicht verfügbar, es kann aber nach § 212 StPO ohne sie erörtert werden. Die Berufsrichter müssen dann wesentliche Inhalte in der HV mitteilen und aktenkundig machen. – In Darmstadt fand die Erörterung nicht öffentlich im Sitzungssaal nach § 257b StPO statt – sondern im Beratungszimmer; die „Schöffin des Jahres 2010“ hätte also nicht als „Schöffin“ teilnehmen dürfen. – Die Kommentierung des § 212 StPO ist noch unvollständig, m.E. reicht eine unterbrochene HV, eine ausgesetzte HV ist nicht Voraussetzung..

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