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BGH: Pflichtverteidiger auswechseln!

 

 

In der Mailingliste der ARGE Strafrecht wird derzeit ein merkwürdiger Fall diskutiert, der vom Bundesgerichtshof am 22.06.11 entschieden worden ist.
In einer Raubsache vor dem LG Berlin war „gedealt“ worden und der Angeklagte erhielt 3 1/2 Jahre. Der am Deal beteiligte Pflichtverteidiger rügte in der Revision, dass die Frage der Schuldfähigkeit (der Angeklagte war offensichtlich schizophren) nicht geprüft worden sei. Auf die Aufklärungsrüge hin wurde daher das ausgedealte Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Natürlich auch zur Prüfung der Frage, ob die Maßregel des § 63 StGB anzuordnen ist. Deren Anordnung wäre bekanntlich kein Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius, § 358 III S. 2 StPO.  Jedenfalls regt der 5. Senat die Auswechselung des Verteidigers an. In der Mailingliste wird gemutmaßt, dieser habe die genannte Vorschrift womöglich nicht gekannt und geglaubt, sein Mandant komme um die (unbefristete) Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus herum.

EGMR, Maßregel und Rückwirkungsverbot

Die gestrige Entscheidung des EGMR rüttelt an einem Dogma des deutschen Strafrechts: daß die Sicherungsverwahrung eine Maßregel der Besserung und Sicherung und keine Strafe sei. Daher sei das Rückwirkungsverbot, wie überhaupt bei Maßregeln (z.B. Entziehung der Fahrerlaubnis), bei der Sicherungsverwahrung nicht anwendbar. So hatte vor fünf Jahren noch das BVerfG unter dem Vorsitz von Winfried Hassemer entschieden. Deutschland kann nun die Große Kammer des EGMR anrufen. Die gestrige Entscheidung wird aber in jedem Fall das zumindest in der Theorie wohlgeordnete Verhältnis von Urteilsfolgen deutscher Strafgerichte durcheinander bringen.