Der Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages Bosbach ((CDU) nennt das gestrige Urteil des BVerfG zur Sicherungsverwahrung „problematisch“, nachdem er gestern schon unangenehm durch die Äusserung aufgefallen war, die Kanzlerin dürfe sich doch wohl noch „freuen“, wenn ein Massenmörder wie Bin Laden getötet wird.
Vielleicht entspricht es ja der Vorstellung eines Herrn Bosbach, mit den Sicherungsverwahrten ähnlich wie mit Bin Laden zu verfahren. Wäre sicher weniger „problematisch“. Mörder wären sicher auch darunter, mitunter sogar Massenmörder, was dann wieder zu „Freude“ Anlass geben könnte.
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BGH zur Sicherungsverwahrung im Darmstädter Vergewaltigungsprozeß
Über den Vergewaltigungsprozeß vor dem Landgericht Darmstadt und das dortige Urteil hatte ich im Januar berichtet. Am 20.10.10 fand vor dem 2. Strafsenat die Revisionshauptverhandlung aufgrund des Revision des StA, die vom GBA vertreten wurde, statt. Nach der Pressemitteilung des BGH ist das Urteil aufgehoben worden. In welchem Umfang ist nicht ganz klar. Mit den Feststellungen jedoch offensichtlich nur insoweit, als solche für die Frage der Sicherungsverwahrung nicht getroffen worden waren. In der neuen Verhandlung vor der 10. Strafkammer des LG Darmstadt dürfte es demnach gem. § 66 II i.Verb.m. I Nr. 3 StGB insbesondere um die Frage gehen, ob der Angeklagte einen Hang zu für die Allgemeinheit gefährlichen erheblichen Straftaten hat. Hierzu bedarf es der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens.
Das Landgericht Darmstadt hatte in seiner Verhandlung fast alles richtig gemacht und gerade deshalb mit Rücksicht auf das Opfer, die während des Laufs des monatelangen Hauptverhandlung einen Selbstmordversuch unternommen hatte, von der Begutachtung des Haupttäters im Hinblick auf § 66 StGB abgesehen. Die Notwendigkeit hierzu war leider erst spät erkannt worden. Sie hätte die Aussetzung der Hauptverhandlung mit der damit verbundenen Ungewißheit über den Bestand des Haftbefehls erforderlich gemacht. Das hätte das Opfer womöglich nicht überlebt. Deshalb hatte der BGH jetzt die Gelegenheit zur Entscheidung.
EGMR, Maßregel und Rückwirkungsverbot
Die gestrige Entscheidung des EGMR rüttelt an einem Dogma des deutschen Strafrechts: daß die Sicherungsverwahrung eine Maßregel der Besserung und Sicherung und keine Strafe sei. Daher sei das Rückwirkungsverbot, wie überhaupt bei Maßregeln (z.B. Entziehung der Fahrerlaubnis), bei der Sicherungsverwahrung nicht anwendbar. So hatte vor fünf Jahren noch das BVerfG unter dem Vorsitz von Winfried Hassemer entschieden. Deutschland kann nun die Große Kammer des EGMR anrufen. Die gestrige Entscheidung wird aber in jedem Fall das zumindest in der Theorie wohlgeordnete Verhältnis von Urteilsfolgen deutscher Strafgerichte durcheinander bringen.