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Rücksichtsloses Überholen ist nicht stets eine Nötigung

Nicht jeder vorsätzliche Regelverstoß im Straßenverkehr, der ein Nötigungselement enthält, ist deshalb eine Nötigung. Im heutigen Straßenverkehr behindern sich die Verkehsteilnehmer ständig irgendwie gegenseitig. Gegenbenenfalls liegt dann eine Verkehrsordnungswidrigkeit vor. Begeht er eine der sieben Todsünden und führt dies zu einem Beinaheunfall, macht er sich strafbar gem. § 315c StGB. Bei der Nötigung geht es darum, daß eine Einwirkung auf den anderen Verkehrsteilnehmer bezweckt wird, diese nicht bloße Folge einer Handlung ist, die eigentlich etwas anderes bezweckt, nämlich das schnellere Vorwärtskommen. In diesem Fall kommt eine Strafbarkeit wegen Nötigung nicht in Betracht (OLG Düsseldorf-NJW 2007, 3219).

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Einstellungsverfügung – unkonventionell begründet

Der Zeuge hatte angegeben, daß der Beschuldigte mit seinem PKW bei mehr als 100 km/h auf der Autobahn bis auf ca. 2m aufgefahren sei, die Lichthupe betätigt, den Abstand auf bis zu 50 cm weiter verkürzt und schließlich rechts überholt habe.
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat das wegen Nötigung und Straßenverkehrsgefährdung geführte Verfahren mit der folgenden Begründung eingestellt: „Nicht jedes Fehlverhalten im Straßenverkehr erfüllt den Tatbestand der Nötigung gem. § 240 StGB. Es müsste hierzu eine konkrete Gefahr entstanden sein, die aus der Sicht eines objektiven Betrachters unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist. Die Gefahr eines Unfalls muß in bedrohliche oder nächste Nähe gerückt sein. Die Sicherheit einer bestimmten Person oder eines bestimmten Sachwertes muss so stark beeinträchtigt sein, dass es letztlich nur vom Zufall abhängt, ob das Rechtsgut verletzt wird oder nicht. Dies liegt hier nicht vor. Es mag zwar für den Anzeigeerstatter unangenehm gewesen sein, dass der Beschuldigte so dicht auffuhr und ständig die Lichthupe betätigte, jedoch ist hierdurch keine konkrete Gefahr entstanden.“

„Ausbremsen“ keine Nötigung bei Überholmöglichkeit (OLG Celle)

In dem vom OLG Celle (NZV 2009, 199) entschiedenen Fall hatte ein Autofahrer, nach beiderseits als bedrohlich empfundenen Fahrmanövern der beteiligten Fahrzeuge bzw. ihren Führern, das vorausfahrende Auto überholt und anschließend sein Fahrzeug zunächst durch einfaches Gas wegnehmen und spätere Stotterbremse verlangsamt und ist anschließend stehen geblieben. Das von ihm überholte Auto blieb dahinter ebenfalls stehen, obwohl ein Überholen bzw. Vorbeifahren möglich gewesen wäre. Die Vorinstanzen hatten das Verhalten des Überholers als Nötigung gewertet. Das OLG hat diese Auffassung nicht geteilt und das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben. Dass die Überholte nicht vorbeigefahren sei, beruhe nicht auf von § 240 StGB gefordertem physischem sondern lediglich auf psychischem Zwang.