Wie ein Strafurteil (nicht) aussehen soll (BGH 2 StR 435/08)

In seinem Urteil vom 02.12.2008 sah der Bundesgerichtshof zu einem Urteil des Landgerichts Darmstadt (Schwurgericht) „Anlass zu folgendem Hinweis:

Die schriftlichen Gründe eines Strafurteils sollten, namentlich auch bei der Schilderung des Tatgeschehens, um eine sachliche und objektive Darstellung bemüht sein. Ein literarischer oder journalistischer Stil der Darstellung ist möglichst zu vermeiden (vgl. auch Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl. Rdn. 240). Gefühlsbetonte oder moralisch wertende Beschreibungen sollten unterbleiben, denn sie können den Anschein nahe legen, das Gericht habe das Urteil nicht in ruhiger und sachlicher Erwägung gefunden, sondern sich auch von Emotionen oder Empörung leiten lassen.

Vermieden werden sollten Wiedergaben mutmaßlicher Gedanken oder Motivationen von Tatbeteiligten, die den Eindruck von (direkten oder indirekten) Zitaten erwecken. Sie beruhen auf Spekulationen, wenn sie sich nicht ausnahmsweise auf glaubhafte Aussagen stützen können, und sind auch dann für die Feststellung des Geschehens in der Regel überflüssig. Der Angeklagte hat die Tat bestritten; Zeugen des Tatgeschehens gab es nicht. Daher ist die Feststellung: „Für ihn war sie das ideale Sexualobjekt“ (UA S. 6), ersichtlich spekulativ; ebenso die Formulierung seiner angeblichen Erwägung: „An ihr würde er seine aufgestauten Triebe hemmungslos abreagieren können“, sowie die Feststellung: „Als die kleine T. nun erneut an seiner Wohnung vorbei…ging, erkannte der Angeklagte sofort, dass sich ihm jetzt die günstige Gelegenheit bot, seine sexuellen Phantasien in die Tat umzusetzen“ (UA S. 6). Feststellungen solcher Art, die sich aus den verwerteten Beweismitteln nicht ergeben konnten, sind überflüssig und gefährden wegen ihres spekulativen Charakters den Bestand des Urteils.“

Nach Urteilsaufhebung wegen fehlerhafter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld wird (nur insoweit) die Sache ab dem 9.6.2009 erneut vom LG Darmstadt verhandelt und entschieden. Schuld- und Strafausspruch waren im übrigen fehlerfrei gewesen.

siehe auch meinen Beitrag vom 18.02.2009

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