Der angeklagte Vater

Der Angeklagte ist Serbe und war, nach seiner Abschiebung im Sommer, kurz nach Weihnachten 2008 illegal nach Deutschland eingereist. Zwei Stunden nachdem er in Hanau eingetroffen war, wurde er vor seiner früheren Lebensgefährtin und der gemeinsamen 13jährigen Tochter verhaftet. Zu der geplanten Begegnung mit den beiden jüngeren Kindern war es nicht mehr gekommen. Seither sitzt er eine sechsmonatige Restfreiheitsstrafe ab.
Heute nun seine Verhandlung vor dem Strafrichter in Hanau wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz. Er ist geständig und berichtet von der unstillbaren Sehnsucht seine Kinder zu sehen. Die haben die Staatsangehörigkeit des Kosovo, der von Serbien nicht anerkannt ist. Dies macht Begegnungen in Serbien unmöglich, zumal die frühere Lebensgefährtin inzwischen einen anderen Partner hat und nicht geneigt ist, mit den Kindern nach Serbien zu fahren. Der Angeklagte darf aber nicht nach Deutschland, weil ihm die Wiedereinreise verboten ist. Ein unauflösliches Dilemma.
Das erkennen alle Verfahrensbeteiligten. Nur vielleicht die Zeugen nicht. Zwei Herren, einer von der Ausländerbehörde, einer von der Polizei, zuständig für Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz. Sie blieben auch nach ihrer Vernehmung als Zuhörer im Sitzungssaal. Das Ergebnis schien ihnen nicht zu gefallen.
Der Verteidiger regte die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 StPO im Hinblick auf die Verurteilung an, deretwegen der Angeklagte derzeit einsitzt. Die Sitzungsvertreterin, eine Referendarin, war hierauf vorbereitet, hatte dies mit dem Dezerneten besprochen und stellte diesen Antrag, dem das Gericht auch stattgab.
Nach Schluss der Sitzung gab der Richter („die Handschellen wollen wir jetzt nicht sehen!“) dem Mann Gelegenheit, noch einmal seine im Zuschauerraum anwesenden Kinder zu umarmen, zu küssen und mit ihnen zu sprechen.
Wer weiß, für wie lange es das letzte Mal war.
Die Protokollbeamtin rang mit der Fassung.
Es geht nicht immer so zu im Gerichtssaal. Aber wenn, dann scheint etwas in ihm aufzuleuchten.

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