… waren wir mal in einem anderen als dem üblichen Schwurgerichtssaal, nämlich im „101“. Wir kannten ihn schon vom ersten Verhandlungstag vor Monaten. Dort war damals nur die Anklage verlesen worden und die Sitzung auch schon wieder beendet. Diesmal dauerte es länger. Und diemal störten auch die Mängel, die beim ersten Mal nur aufgefallen waren. Leider hatte man daran in den vergangenen Monaten nichts zu ändern für nötig gehalten.
Da ist zunächst die „Bank“ der Angeklagten und der Verteidiger. Die ist kaputt, irgendwie oder irgendwas aus der Verankerung gerissen. Deshalb schwankt sie, wenn sich, zum Beispiel beim Blättern in der Akte oder beim Schreiben jemand drauflehnt. Heute saßen drei Angeklagte und fünf Verteidiger dran. Man fühlte buchstäblich in der Magengegend was der Spruch bedeutet, man sei vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand.
In beiden Fällen möchte man an die Reling treten und …
Außerdem waren wir mit dieser schwankenden Bank dicht an der Wand plaziert, obwohl sich zwischen uns und dem Gegenüber, der Anklagebank, gähnende ca. 7metrige Leere ausbreitete. Erschwerend kam hinzu, daß man hinter unsere bleischweren Sessel noch eine lückenlose Reihe von Stapelstühlen direkt an die Wand – mir fehlen die Worte – sagen wir: drapiert hatte. Weil ständig an der Richterbank irgendwas „in Augenschein“ zu nehmen war, quälte man sich von seiner Schwankbank nun, eingekeilt von dem Gestühl der diese herumrückenden Nachbarn, von den Stapelstühlen und den eigenen und fremden Aktenkoffern, auf unwegsamem Gelände nach vorne und war genervt. Die „Beschwerde“ kommentierte einer der recht unzähligen Justizwachtmeister mit: „Morgen ist alles anders.“
Ich bin gespannt. Denn morgen ist heute und heute sind wir schon wieder in Gera.
Gestern in Gera … (Teil 4)
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