Gemäß § 522 II S. 2 ZPO weist das Berufungsgericht oder der Vorsitzende vor einer beabsichtigten Zurückweisung der Berufung gem. S. 1 auf diese Absicht hin und gibt Gelegenheit zur Stellungnahme oder „zur kostengünstigen Berufungsrücknahme“. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Zurückweisung unanfechtbar ist, hat sie einstimmig zu erfolgen. Nichts anderes als daß demnach auch bei der Vorberatung die Kammer vollständig besetzt sein muß, läßt § 522 II ZPO an Schlussfolgerung zu. Andernfalls fragt sich, wie der Vorsitzende auf die beabsichtigte einstimmige Berufungszurückweisung hinweisen können will. Soviel zur Theorie. Im Rahmen eines Befangenheitsantrages und den hierzu vorgelegten dienstlichen Äusserungen trat nun die Praxis am Landgericht Darmstadt zu Tage. Danach waren an der Vorberatung nur zwei Richter beteiligt. Dies hinderte den Vorsitzenden nicht, die einstimmige Berufungszurückweisung anzukündigen und die kostengünstige Berufungsrücknahme nahe zu legen. In einer dienstlichen Erklärung heißt es ganz arglos, die Kammer habe ja auch später (wie angekündigt) einstimmig entschieden. Kein Wunder, nachdem diese mit dem Hinweis nach aussen hin gebunden worden war. Hätte der, den man gar nicht erst gefragt hat, sich jetzt gegen die beiden anderen, u.a. den Vorsitzenden, stellen sollen?
Diese Praxis beseitigt die letzten spärlichen Reste von Rechtsschutz in der zivilprozessualen Berufung. Von wegen Kammer! In dem Bestreben nach Arbeitserleichterung schafft die Praxis den Einzelrichter (ggf. +1)selbst dort, wo ihn nicht einmal der Gesetzgeber vorgesehen hat. Das kommt dabei heraus, wo es keine Kontrolle gibt! Der „blaue Himmel der Rechtskraft“ sollte sich halt nur über denjenigen öffnen, die sich seiner würdig erweisen.
Also, ich halte es ja für unbequem, sich Hosen mit Kneifzangen anzuziehen…