Der Mandant ist Junkie und finanziert die Sucht mit Wohnungseinbruchsdiebstählen. Er ist vielfach deswegen vorbestraft und hat schon Jahre im Knast verbracht. Auch derzeit sitzt er ein. Mittels DNA-Analysen hat man an verschiedenen Tatorten Spuren von ihm gefunden. Drei Einbrüche aus dem Jahre 2005 werden ihm zur Last gelegt. Er erinnert sich nicht daran, meint, es könne sein. In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Frankfurt wird er daher zu 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Eine Tat brachte ihm alleine 1 Jahr und 9 Monate ein. Die war in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2005. Ein Laptop, einen Flachbildschirm und 30 „MD-Geräte“ soll er da geklaut haben, eines alleine 800 € wert. Was MD-Geräte sind, erklärt weder die Anklageschrift noch das spätere Urteil. Überführt wird er aufgrund aufgefundener DNA an einem Brotmesser am Tatort. Heute, mehr als drei Jahre nach der angeblichen Tat: Berufungsverhandlung. Der Verteidiger hatte die Akte gelesen, was wohl nicht selbstverständlich ist. Dort stand: „die in der Anzeige noch benannten MDE-Geräte wurden nicht entwendet, diese hatte ein Mitarbeiter umgelagert“. Hatte vorher anscheinend keiner gelesen. Und noch schlimmer: der Mann war in der Tatnacht im Gefängnis. In der Akte standen die Daten der Untersuchungshaft in andere Sache vom 16.08.05 bis zum 05.09.05. Nun beantragte auch der Oberstaatsanwalt Freispruch. Freilich nicht ohne sich die Bemerkung zu verkneifen, er wisse zwar nicht, wer damals unter den Personalien des Mandanten in U-Haft war, glaube aber nicht, dies nach Ablauf von drei Jahren noch aufkären zu können. Immerhin könne es ja sein, daß es der Mandant selbst war, der damals unter seinen Namen im Knast war und daher nicht gleichzeitig in Heddernheim einen Einbruch begangen haben könne.
Der Fall zeigt Justitias Blindheit von ihrer unschönen Seite. Der Mann ist nur knapp einem Justizirrtum entgangen. Es gibt verschiedene solche. Die, nachdem man sich redlich bemüht hat und dennoch geirrt; und die, bei denen man nicht einmal ein paar Seiten Akte zu lesen bereit war, nicht der Staatsanwalt, nicht der Vorsitzende des Schöffengerichts, nicht der erstinstanzliche Verteidiger. Keiner hat dem geholfen, der darauf besonders angewiesen war.
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Der Angeklagte hätte natürlich besser die ihm zur Last gelegte Tat abgestritten. Wenn man ihm die Tat dann nicht nachweisen könnte, sollte gelten: Im Zweifel für den Angeklagten.