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Weihnachtsfeier und Oberbürgermeister – Fahrerflucht, Falsche Verdächtigung, Strafvereitelung?

Die Dienstreise nach Gera gibt Gelegenheit zum Blick in die heutige Ostthüringer Zeitung. Da geht’s um die Gegenanzeige des Geraer Oberbürgermeisters wegen Falscher Verdächtigung. Denn der von ihm so angezeigte hatte seinerseits diesen wegen Unerlaubten Entfernens vom Unfallort angezeigt. Wollt‘ schon weiterblättern, weil: wen interessiert’s? Interessant wurde es aber doch noch. Es habe sich nämlich um einen (angeblichen) Parkrempler zu nächtlicher Stunde nach einer vom Oberbürgermeister besuchten Weihnachtsfeier gehandelt. Nachtigall, ick hör‘ dir trapsen! Die noch nächtens beim Oberbürgermeister angerückte Polizei wird sicher das Nötige veranlasst haben. Weiterlesen

Die einen läßt man laufen, die anderen hängt man

Der Angeschuldigte hatte eine vorfahrtsberechtigt Radfahrerin über den Haufen gefahren. Sie war verletzt, wenn auch nicht allzu stark. Danach fuhr der Angeschuldigte weiter. Mühsam, aber doch irgendwie kam man ihm „auf die Schliche“. Er ist dreifach einschlägig wegen Verkehrsdelikten in den letzten Jahren vorbestraft, davon zwei Mal wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Registerauszug ist Aktenbestandteil.
Was also macht die StA Darmstadt in einem solchen Fall? Sie schlägt gnadenlos zu! Die Fahrerflucht nach § 154a StPO im Hinblick auf die fahrlässige Körperverletzung eingestellt und derentwegen einen Strafbefehl (20 Tagessätze ‚a 30 €) beantragt. Kein Fahrverbot und schon gar keine Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Amtsgericht Bensheim hat den Strafbefehl am 21.11.11 auch so erlassen.
Demgegenüber heute Verhandlung gehabt wegen folgenloser Trunkenheitsfahrt (0,68 Promille); Ersttäter;  Ausfallerscheinungen: Schlangenlinie (Angeklagter legt Einzelverbindungsnachweis seines Handys für die Fahrtzeit vor, wonach er während der Fahrt telefoniert hatte. Das Handy hatte er, weil es geklingelt hatte, etwas mühsam aus einer Jackentasche herausfummeln müssen. Deshalb Schlangenlinien. Nach vorläufigem Entzug der Fahrerlaubnis sich einer Verkehrstherapie (IVT-Hö) unterzogen. Daher sowohl Fahruntüchtigkeit als auch Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen fraglich. Ergebnis: Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt und Entziehung der Fahrerlaubnis.
Es ist zum Haare raufen.

1. Verkehrsanwaltstag Berlin 2012

Endlich, möchte man ausrufen! Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV lädt zum 1. Verkehrsanwaltstag am 20./21.04.2012 in Berlin. Programm ist zwar noch nicht bekannt; man darf aber Hoffnung haben, dass  hier eine Zentralveranstaltung anwaltlicher Verkehrsrechtler aus der Taufe gehoben wird. Und das hat es bisher noch nicht gegeben – und wurde schmerzlich vermisst.

Aussageerzwingung durch Drohung mit Hauptverhandlung?

Die Staatsanwaltschaft schreibt in Verkehrsstrafsachen dem Beschuldigten, dass ein Strafbefehlsverfahren beabsichtigt sei. Dann bleibt „Ihnen eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erspart“, heißt es in dem Schreiben. Allerdings müsse man erst einmal die nachfolgenden Fragen beantworten, nämlich nach dem eigenen Einkommen und dem des Ehegatten, nach sonstigen Einnahmen, Schulden und Unterhaltsverpflichtungen.
Sollten die Fragen nicht innerhalb von zwei Wochen beantwortet werden, „werde ich Anklage erheben und beantragen, eine Hauptverhandlung gegen Sie durchzuführen“, so lautet der Schlusssatz.
Dem Verfasser dürfte bekannt sein, dass seine Erkenntnismöglichkeiten nicht alleine durch die Durchführung einer Hauptverhandlung wachsen. Die Drohung damit wird daher zur Erlangung von Angaben instrumentalisiert, deren Preisgabe indes (nemo tenetur) dem Beschuldigten freisteht.
Dass dergleichen mündlich und hinter vorgehaltener Hand gelegentlich vorkommt, daran hat man sich gewöhnt. Die Dreistigkeit (und Dummheit) so etwas auf dem Briefbogen der Staatsanwaltschaft Darmstadt aus dem Hause zu geben, die überrascht dann doch.

In VerkehrsOWis schon vor der Verwaltungsbehörde verteidigen!

Es ging um ein Fahrverbot wegen Geschwindigkeitsüberschreitung.
Das Beweisfoto der Bußgeldstelle zeigte einen in wesentlichen Teilen vom Rückspiegel verdeckten Fahrer. Es blieben nur Kinnpartie und linkes Auge. Der Haaransatz war vom Dach verdeckt.
Noch im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde wurde daher ein Sachverständigengutachten zum Beweis dafür, dass der Betroffene nicht der Fahrer war, beantragt. Ein Antrag, dem ein Gericht gerne nachgeht, auf die Gefahr hin, dass das Gutachten genau das Gegenteil erweist.
Der Antrag war mit dem Hinweis verbunden, dass bei Zweifeln an der Tätereigenschaft des Betroffenen ein Bußgeldbescheid nicht erlassen werden dürfe (Göhler, OWiG, Vor § 65, Rn 1).
Die Bußgeldstelle stellte das Verfahren daraufhin gem. § 47 OWiG ein.
Einmal mehr bestätigt dies, dass die Möglichkeiten in VerkehrsOWi-Sachen bei der Bußgeldstelle genutzt werden müssen. Sobald die Sache beim Gericht hängt, wird’s schwierig(er).

Cannabis und Führerschein

1. Einmaliger Konsum (auch wenn man beim Fahren erwischt wird) indiziert nicht die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Fahrerlaubnisbehörde darf aber die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens und eines Drogenscreenings anordnen.

2. Gelegentlicher Konsum (mindestens zwei Mal) indiziert die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur, wenn der Betroffene Konsum und Fahren nicht trennen kann, also beim Fahren unter Drogeneinfluss festgestellt worden ist. Die Fahrerlaubnisbehörde entzieht die Fahrerlaubnis.

3. Regelmäßiger Konsum (täglich oder beinahe täglich) indiziert die Ungeeignetheit, die Fahrerlaubnisbehörde entzieht die Fahrerlaubnis.

Absehen von Fahrverbot bei Schichtarbeit und ungünstigen Verkehrsverbindungen

Das Amtsgericht Darmstadt hat in einem Regelfall von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen, weil der Schichtarbeiter um rechtzeitig um 6.oo Uhr zur Frühschicht zu kommen mit dem Zug bereits um 00.22 Uhr hätte losfahren müssen. Das Bußgeld wurde knapp verdoppelt. Selbstverständlich war ein Chauffeur unzumutbar. Das Fahrverbot konnte auch nicht in den Urlaub gelegt werden, weil der Arbeitgeber aufgrund guter Geschäftslage keinen einmonatigen Urlaub „am Stück“ gewährt (214 OWi – 8200 Js 15551/11).

MPU-Gutachten bei Fahrradfahrer mit mindestens 1,6 Promille

Nach dem VGH Kassel darf die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens von einem Fahrradfahrer verlangen, der am Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille teilgenommen hat (NJW 2011, 1753).
Verweigert er die Beibringung oder ergibt sich aus dem Gutachten seine Ungeeignetheit zur Teilnahme am Straßenverkehr, kann ihm die Teilnahme am Straßenverkehr (mittels Fahrrad) untersagt werden.

Haltelinie maßgeblich für Rotlichtverstoß

Nicht selten wird vorgeworfen, über eine rote Ampel gefahren zu sein, was mit Geldbuße, Punkten in Flensburg und u.U. Fahrverbot verbunden ist.
Ob der Vorwurf berechtigt ist, hängt davon ab, wo sich das Fahrzeug befand, als die Ampel von gelb auf rot umsprang. Ist es die Kreuzung selbst, die Ampel oder die Haltelinie, die sich ja regelmäßig vor der eigentlichen Ampel befindet.
Früher war dies umstritten. Inzwischen allerdings gilt das Überfahren der Haltelinie als maßgeblich. Es mag also durchaus sein, dass die Ampel rot war. Entscheidend aber ist, ob sie er auch schon war, als das Fahrzeug die Haltelinie überfuhr. Gerade wenn dies anhand von Zeugen bewiesen werden soll, „lohnt“ sich ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid.

Hauptverhandlung nach Strafbefehl ohne den Angeklagten

Das Strafbefehlsverfahren ermöglicht es dem Angeklagten, nach Einspruchseinlegung frei darüber zu entscheiden, ob er an der Hauptverhandlung (auch vor dem Berufungsgericht) überhaupt teilnehmen will oder ob er sich durch einen Verteidiger mit schriftlicher Vollmacht vertreten läßt, § 411 II S. 1 StPO. Dies gilt auch dann, wenn sein persönliches Erscheinen nach § 236 StPO angeordnet worden ist. Ein Vorführ- oder Haftbefehl ist dann unverhältnismäßig (Meyer-Goßner, StPO, § 411, Rn. 4).