Archiv der Kategorie: blog verkehrsrecht

Das lange Gedächtnis Flensburgs – Tilgungsfristen

Die Regelungen über die Tilgung von Eintragungen im Verkehrszentralregister (VZR) sind zumindest hinsichtlich der Tilgungshemmung durch Vornahme weiterer Eintragungen auf dem Prüfstand. Schon der Verkehrsgerichtstag hatte vor einigen Jahren eine Reform angemahnt, die sich jetzt anbahnt. Diese Regelung erscheint besonders unbillig bei Berufskraftfahrern; Zum einen, weil diese „viel unterwegs“ sind und somit einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, sich ordnungswidrig zu verhalten und/oder dabei „erwischt“ zu werden; zum anderen, weil die ultimative Folge des Langzeitgedächtnisses von Flensburg, der Entzug der Fahrerlaubnis (bei 18 Punkten) mit den üblichen Folgen (Mindessperre für die Wiedererteilung 6 Monate und nur bei „Bestehen“ einen MPU-Begutachtung, hier besonders hart trifft.
Daher zur Erinnerung die Rechtslage bei der Tilgung de lege lata:
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Schleichwerbung in der NZV?

In der neuen NZV (S. 169) schreibt der Sachverständige Dr. Cornelius Schott aus Langenselbold über „Identitätsgutachten im Rahmen von Verkehrsdelikten“.

Unter der Kapitelüberschrift „Prüfung bereits erstatteter Gutachten-Obergutachten“ (171) führt er zu fehlerhaften Gutachten aus, sowie dazu, dass  „in diesen Fällen … bereits viele Rechtsanwälte an den Verfasser herangetreten“ seien, um diese überprüfen zu lassen. „In vielen Fällen konnte das bisherige Gutachtenergebnis widerlegt werden und der/die Betr./r wurde freigesprochen.“

In der abschließenden Zusammenfassung heißt es unter Punkt 8: „Für jegliche Fragen oder Informationsaustausch steht der Verfasser unter der Telefonnummer 06184/63036 (s. auch www.sv-dr-schott.de) zur Verfügung.“

Fragen: Hat Dr. Schott dem Beck-Verlag hiefür etwas zahlen müssen?  Wenn nicht: Hat die NZV eine Redaktion, die die eingereichten Artikel liest und ggf. redigiert? Will die NZV auch in Zukunft als seriöse Fachzeitschrift wahrgenommen werden?

Wenn man schon sonst nichts zu bieten hat, dann doch wenigstens einen „Verkehrskontrolltag“

Gestern war ein schöner Tag im beschaulichen Nachbarbundesland Rheinland-Pfalz. Bei bestem Wetter feierte man den landesweiten „Verkehrskontrolltag“. Über 66.000 motorisierte Verkehrsteilnehmer waren gekommen. Und mehr als 6000 Preise wurden verteilt für von diesen begangene „Verkehrsverstöße“. Alleine 2500 von ihnen wollten so schnell zum landesweiten Verkehrskontrolltag, dass sie die örtlich zulässige Geschwindigkeit nicht einhalten konnten. Nicht jeder konnte gewinnen und es ging natürlich vor allem um das „Dabeisein“. Denn das ist -ganz im olympischen Sinne- bekanntlich alles. Und die für diesen herrlichen Tag Verantwortlichen werden dem entsprechend sagen: „Das ist es, was wir unter Sport verstehen: absolute Siegesgewissheit“ (so wie Majestix im Hinblick auf den Zaubertrank bei „Asterix bei den Olympischen Spielen“). Denn das Schönste am landesweiten Verkehrskontrolltag in Rheinland-Pfalz ist doch der Sieg auf ganzer Linie für die stets von bösen Menschen in Gefahr gebrachte Verkehrssicherheit und -last but not least- der Sieg für den Staatsfiskus (pst, nicht so laut!).
Sicher sicher: nur ein geradezu unerwünschter Nebeneffekt, aber immerhin.
So wird es sicher auch bald in Hessen neben dem „Hessentag“ auch einen „Verkehrskontrolltag“ geben. Und das ist auch gut so! Am besten in allen Ländern Deutschlands und jeden Tag!

Einspruch euer NJW

Bekanntlich hatte das OLG Hamm die Rechtsbeschwerden der StA Bielefeld gegen einige der „Massenfreisprüche von Herford“ wegen unzulässig erhobener Verfahrensrügen verworfen. Unter Bezugnahme auf die Presseerklärung des OLG Hamm bezeichnet die NJW von diesem Donnerstag im Teil „Aktuell“ die Rechtsbeschwerden als  „Einsprüche“ und belegt damit einmal mehr, dass dieser Teil der NJW nicht den Anspruch erhebt, von der Fachwelt ernst genommen zu werden, was allerdings die Frage aufwirft, an wen sich „NJW-aktuell“ dann eigentlich wendet.

Punkte in Flensburg für’s Falschparken?

Es gibt zwar eine Anlage 13 zu § 40 FeV die regelt, wofür es wieviele Punkte im Verkehrszentralregister gibt. Am Schluß steht: 1 Punkt gibt es für alle übrigen OWis, die vorher nicht seitenweise aufgezählt worden sind. Nicht übersehen sollte man aber § 28 III Nr. 3 StVG. Danach gibt es nämlich Punkte für alle Verkehrs-OWis nach § 24 StVG, Hauptsache: mindestens 40 € hat das Bußgeld betragen. Damit haben auch läppische Verkehrsverstöße, z.B. Falschparken, die Chance, richtig weh zu tun. Wenn die Bußgeldbehörde oder -nach Einspruch- das Gericht auf 40 € erhöht, etwa wegen haufenweise Voreintragungen. Mitunter weiß der Richter gar nicht, was er da tut, daß es vielleicht der entscheidende Punkt zum „alle 18“ und damit zum Entzug der Fahrerlaubnis gewesen ist.

§ 100 h StPO keine Ermächtigungsgrundlage für das „Blitzen“!

Nachdem das Bundesverfassungsgericht bei automatisierten Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen die fehlende gesetzliche Eingriffsermächtigung reklamiert hatte, schüttelten einige Oberlandesgerichte eine solche in Gestalt des § 100 h StPO, eine im Verkehrsrecht bislang ein unbeachtetes Dasein fristende Vorschrift, aus dem Ärmel. Diesem Hütchenspielertrick zur Aufrechterhaltung der ansonsten ach so beeinträchtigen Verkehrssicherheit und -als nicht ungelegenem Nebeneffekt- zur Sicherung einer in die öffentlichen Haushalte eingeplanten Millioneneinnahme,  wird in NZV 2011, 67 von dem Kollegen Dr. Alexander Wilcken eine klare Absage erteilt. Die gegenwärtige Praxis des Blitzens und Filmens bleibt mangels gesetzlicher Eingriffsermächtigung illegal.
Daß sich die Oberlandesgerichte für eine legalistische Argumentation mit § 100 h StPO hergeben, macht besorgt.

Zweifelsgrundsatz? Im Zweifel wird die Fahrerlaubnis entzogen!

Am 21.09.2o10 war die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden, weil dem Beschuldigten ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorgeworfen worden war. Ich hatte schon am 28.10.2010 über den Fall berichtet, in dem es auf die Schadenshöhe ankam. Beschädigt war nämlich ein Seat Ibiza, 15 Jahre alt und 116.000 km gefahren. Keine Sau interessierte, daß ein solches Auto schon keinen Wiederbeschaffungswert von 1.300 € hat, geschweige denn, ein Schaden in dieser Höhe nach Abzug des Restwertes in Betracht gekommen wäre. Wegen des für die vorläufige Entziehung erforderlichen bedeutenden Fremdschadens hätte sich die Staatsanwaltschaft, der für die Entziehungsentscheidung zuständige Ermittlungsrichter und vor allem auch die Beschwerdekammer des Landgerichts Darmstadt dafür interessieren müssen. Immerhin hatte der Verteidiger von mobile.de Vergleichsangebote vorgelegt und im übrigen darauf verwiesen, daß im Zweifel sachverständige Schadensbestimmung angezeigt sei. Es war umsonst. Man berief sich -ohne Bedacht auf den auch hinsichtlich der Schadenhöhe erforderlichen dringenden Tatverdacht- allen Ernstes auf die Grobschadensschätzung (2000 €) der Polizei, weil die ja ach so viel Erfahrung in solchen Sachen hätte und schmetterte die Beschwerde ab. Weiterlesen

Drogenfahrt bei längere Zeit zurückliegendem Konsum

§ 24a II StVG führt beim Führen von Kraftfahrzeugen „unter der Wirkung“ von Drogen bereits beim Ersttäter zu einem Bußgeld von 500 € und einem einmonatigen Fahrverbot. Außerdem ist die Fahrerlaubnisbehörde in diesen Fällen berechtigt, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu verlangen, u. U. sogar zum sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis. Weitreichende Folgen also. Bei Cannabis kann seit BVerfG-NZV 2005, 270 von „unter der Wirkung“ erst ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum ausgegangen werden.
Leider wird oft übersehen, daß auch bei Werten oberhalb dieser Grenze eine Ordnungwidrigkeit dann nicht gegeben ist, wenn der Betroffene keine Kenntnis von der Möglichkeit der weiterbestehenden Drogenwirkung hatte. Dies ist die Voraussetzung für eine fahrlässige Tatbegehung. Liegt aber der Konsum schon 24 Stunden oder länger zurück, wird diese Kenntnis regelmäßig fehlen. Der Forderung nach absoluten Grenzwerten, von Polizei und Verkehrspsychologen auch auf dem Verkehrsgerichtstag vorige Woche wieder erhoben, erteilt die medizinisch-toxikologische Forschung eine Absage. Solche Werte gibt es nicht und wird es (vorläufig) auch nicht geben.
Es bleibt also dabei, daß die Verteidigung darauf bestehen muß, daß Feststellungen zum Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit getroffen werden müssen. Ist dies nicht möglich, muß freigesprochen werden.

MPU für Fahrradfahrer …

… ist grundsätzlich möglich. Wird nicht „bestanden“ oder kein Gutachten beigebracht, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Benutzung von Mofa und Fahrrad verbieten, §§ 3 I, II, 13 S. 1 Nr. 2 lit c; 2 IV StVG.
Dies hat aber Grenzen. Bei einem erstmals nachts auf einem Fahrradweg mit 2,33 Promille fahrenden Fahrradfahrer ist sowohl die Anordnung der Beibringung eines MPU-Gutachtens als auch das wegen der Nichtvorlage angeordnete Verbot der Nutzung von Fahrrad und Mofa wegen Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig (OVG Koblenz-NZV 2010, 54).

Bild: bei „Aussage gegen Aussage“ wird das Gerichtsverfahren eingestellt!

Dass es von Überheblichkeit und Ignoranz zeugt, wenn Juristen auf die Lektüre der Bild-Zeitung verzichten, um sich anhand der dortigen Berichterstattung über Strafverfahren zu informieren, ist allgemein bekannt. Wo sonst findet sich ausgewogene Berichterstattung mit Hintergrundwissen sonst so trefflich kombiniert mit unkonventionellen Täter-/Verdächtigenbezeichnungen wie „Bestie“ o. ä. und Lichtbildern desselben in oft kompromitierenden Situationen?
Doch auch als juristische Fachzeitschrift wird „Bild“ und ihre Derivate oftmals verkannt. Dabei enthält sie viele hilfreiche Hinweise für den professionellen Einsatz in der Strafverteidigung. Die „Auto-Bild“ vom 21.01.2011 (S. 65) befasst sich etwa mit den strafrechtlichen Folgen von Beleidigungen unter der Überschrift: „So teuer wird der Stinkefinger…“ Dort werden in Tabellenform einzelne Artikulationen, z.B. „leck mich am Arsch“ mit den Tarifen im Strafausspruch kombiniert, im Beispielsfall etwa „300 Euro“. Okay, es wird nicht versäumt im Kleingedruckten darauf hinzuweisen: „die Strafen können je nach Fall und Urteil nach unten oder oben abweichen“. Aber das erklärt irgendwie nicht, weshalb die Tabelle etwa für „Alte Sau“ 2500 Euro ausweist. Das ist ja mehr als das Achtfache von „Leck mich am Arsch“. Weiterlesen